Fallprüfungen durch Service-Gesellschaften

  • Sehr geehrtes Forum,

    in den ersten Wochen des Jahres 2006 findet ein neues Prüfverfahren strittiger Abrechnungsfälle von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen zunehmend Verbreitung. Es handelt sich um sog. „Tochterfirmen“, zumeist in Gestalt einer Service-GmbH, welche durch einzelne Kostenträger oder einer Kooperation durch mehrere Kassen finanziert und beauftragt werden. Diese haben vornehmlich die Aufgabe, im Auftrag der Kassen umstrittene Abrechnungsfälle der Krankenhäuser durch eigens eingestellte Ärzte zu überprüfen und ggf. zu beanstanden.
    Die Prüfmodalitäten haben sich über telefonische oder Schriftliche Anfragen hinaus auf Fallbesprechungen mit den zuständigen Mitarbeiter der Krankenhäuser vor Ort (z. B. Medizincontroller) ausgeweitet. Während dieser Gespräche werden von den Vertretern der Prüfcentern, trotz Hinweis auf Datenschutz und bestehende Verträge, auch gezielte Fragen medizinischen Inhaltes, über den Umfang des § 301-Datensatzes hinausgehend, zu dem entsprechenden Aufenthalt gestellt. Diese Fragen können meistens nur durch Hinzuziehen der Patientenakte beantwortet werden.
    Hat jemand schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie sollte man darauf reagieren?

    Vielen Dank im Voraus und beste Grüsse

    Antipode

  • Hallo Antipode.

    Dies wird auch uns angeboten. Es kann nach meinem Dafürhalten nur nach Festlegung klarer Regeln funktionieren.

    1. Regel: Keine medizinischen Details, die über den Datensatz hinausgehen. So viel Vertrauen muß sein, daß einem während der Fallbesprechung die Angaben auch ohne \"Zeigen\" schriftlicher Beweise geglaubt werden. Ohne dieses Vertrauen würde ich mauern :d_neinnein: .
    2. Regel: Kein Aufwärmen von Altfällen nach dem Motto: Lebt denn der alte Holzmichel noch.
    3. Regel: Keine Zunahme der Anfragen durch das (vereinfachte) Verfahren. Sollten wir eine Zunahme der ANfrage verzeichnen, werden wir das Verfahren wieder kippen.
    4. Regel: Nicht zusätzlich zu MDK-Anfragen, sondern statt der MDK -Anfragen.

    Wenn man danach vorgeht, Kann das Verfahren hilfriech sein um
    1. Muster besser zu erkennen,
    2. Wiederkehrende Ärgernisse bei den Anfragen zurückzudrängen
    3. Die Anzahl der ANfragen zu Zusatzentgelten und Beatmungsstunden zu reduzieren.
    4. Ermessensentscheidungen mal zu gunsten der einen , mal der anderen Seite zu treffen.
    5. Die Prüfwege und -dauern abzukürzen.


    Wir sind gespannt, ob es funktioniert, die ersten Erfahrungen sind vorsichtig optimistisch zu werten ?( .

    Gruß

    Merguet

  • Guten Tag,

    in der Tat ist eine zunehmende Aktivität in der von Ihnen beschriebenen Art zu beobachten, offensichtlich als Ausdruck der Tatsache, daß nicht mehr jede kleinere Kasse auch den gesamten Apparat zum Fallmanagement vorhalten möchte bzw. kann. Insofern macht sich offensichtlich auch die Erkenntnis auf KK-Seite breit, daß es sich perspektivisch um ein ernstzunehmendes Problem handelt.
    Für die Fallbesprechungen gelten nach meiner Einschätzung grundsätzlich strengste Regeln, die auch auf jeden Fall ausschließen, daß man gemeinsam in einer Akte stöbert.
    Ich sehe nur ein viel grundsätzlicheres Problem: die von den KK beauftragten Gesellschaften haben nach meinem Empfinden keine z.B. im SGB verankerte Legitimation. Daher stellt sich für mich auch die Frage nach der Vertraulichkeit von Daten, die ja im Managementfall unzweifelhaft von denn KK an solche Einrichtungen weitergegeben werden müssen. Ich vermute, daß man dafür mal z.B. einen (Landes-?))Datenschutzbeauftragten zu Rate ziehen sollte.
    Ich würde ohne äußerst sorgfältige Prüfung einem solchen Ansinnen eher nicht näher treten.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Herzlichen Dank für die schnellen und kompetente Antworten!

    Herr Merguet trifft den Nagel auf den kopf mit der Vermutung, dass hier möglicherweise die Zahl der geprüften Fälle ausufern könnte.
    In unserem Fall erhielten wir von der BEK eine liste von 44 Fällen, welche in einer Sitzung in unserem Hause besprochen werden sollen. Hierbei handelte es sich auch um sog. „Altfälle“, d.h. deren Entlassung mehr als 3 Monate zurückliegt. Die meisten Beanstandungen betreffen die Überschreitung der oberen oder unteren Grenzverweildauer, ohne Rücksicht auf das Alter oder die Nebenerkrankungen der Patienten, sowie Zweifel an der Kodierung CCL-relevanter Nebendiagnosen.
    Wer eine MDK-Begehung einmal vorbereitet hat, weiß welcher Aufwand sich dahinter verbirgt. In unserem Fall waren es mit Aktenanforderung, Überprüfung, Rückfragen an die behandelnden Ärzte und Stellungnahme ca. 5-6 Arbeitstage. Eine weitere Zunahme der Prüfbegehren würde schnell den Rahmen einer Stellenplanung im Controlling sprengen.
    Des weiteren hat Herr Dr. Sander recht mit der Vermutung, dass zumindest datenschtzrechtliche Bedenken bei der Zwischenschaltung von Service-Gesellschaften bestehen. Eine entsprechende Anfrage beim Landesdatenschutzbeauftragten solte dies klären.

    Antipode

  • Hallo Mitstreiter,
    egal ob KK oder Servicegesellschaft, wir übermitteln den §301 Datensatz und beantworten allenfalls noch die Frage nach der Notwendigkeit stationärer Behandlung (Rest des Landesvertrags Bayern), das wars auch schon. Für alles Weitere hat der Herrgott oder der Gesetzgeber den MDK auserwählt.
    Spielregeln beachten!!
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt

  • Hallo an alle,

    ich finde dieses Vorgehen EXTREM gefährlich. Die Vergangenheit hat doch gezeigt, dass auf so ein Vorgehen doch nur ein weitere Flut von Anträgen auf die Krankenhäuser einstürzt. Ich es kann ja verstehen, dass man andere Wege gehen will, wenn man als kleinere Kasse wegen der Dominanz von nur EINER Kasse beim MDK keine Ressourcen erhalten kann. Aber kann es denn sein, dass die eine Seite mit mehr Geld (wer zahlt das denn??) Prüfleistung zukaufen kann, wenn das System wohl den MDK an die Wand gefahren hat? Wollen wir alle dahin, dass dann die 100%-Stichprobe nach deutscher Gründlichkeit angestrebt wird?

    Ich kann es einfach nicht glauben, dass dieses Vorgehen nicht mit einer deutlichen Zunahme der Prüffälle einhergeht. Der Datenschutz ist meiner Meinung nach auch nicht mehr gegeben, hier haben wir eine klare Regelung mit dem MDK - und sonst niemandem - vorliegen.

    Interessant wäre mal die Menge und der Einsatz solcher \"Fremdfirmen\".

    Gruss aus Unterfranken

    Gruss
    Dr. Christian Kramer

    Orthopäde - Oberarzt

  • Guten Abend,

    ich möchte vielleicht in Ergänzung der vielen wichtigen Hinweise noch etwas hinzufügen: das Versprechen, daß dann \"alles besser und unkomplizierter\" wird, wie uns auch schon mal von einer größeren KK erklärt wurde, konnte noch nie eingelöst werden. Es hätte sich nach meiner Vorstellung zeigen müssen, daß der Aufwand insgesamt für die Fallbetreuung abnimmt und nicht - wie von vielen auch nachvollzogen - eher explodiert. Insofern kann ich nur die Vermutung bestätigen, daß hinter einer scheinbaren Vereinfachung im Ablauf (hört sich ja auch gut an: Vereinheitlichung der Ansprechpartner, alles schneller und zufriedener abzuwickeln) in der Regel die Probleme auf anderen Feldern noch größer werden. Falls ich es bei meinem ersten Statement noch nicht habe rüberbringen können: ich würde die Finger davon lassen.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Man muß sich schon fragen, warum das im SGB V festgelegte Verfahren ausgehebelt wird. Könnten hier quantitative und qualitative Gründe eine Rolle spielen? Es soll Kassen geben, bei denen für die Bewertung von Mitarbeitern die Zahl der außerhalb des MDK gelösten Fälle ausschlaggebend sind.

    Wenn das, was an anderer Stelle hier zur \"Budgetierung\" der MDK-Fälle gesagt wurde, zutrifft, wäre wohl eher mit einer deutlichen Zunahme der Fälle auf diesem Wege zu rechnen.

    V. Blaschke

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    Dr. med. Volker Blaschke