Komplikationsbegriff

  • Hallo Forum,

    ein Patient wird nach Implantation eines alloplastischen femoropoplitealen Bypass innerhalb der OGVD wegen eines thrombotischen Bypassverschlusses erneut aufgenommen und eine Bypassthrombektomie durchgeführt. Ist der Bypassverschluß in jedem Fall als Komplikation der vorausgegengenen Operation im Sinne des § 2 FPV (Wiederaufnahmeregelung) zu werten?

    Danke und freundliche Grüsse!

  • In der Regel liegt eine Komplikation im Sinne der
    DRG-Abrechnung vor, und somit führt dies zu einer
    Fallzusammenführung.

    Gruß
    Ordu

  • Hallo McHenze,

    einen thrombotischen Bypassverschluss würde ich normalerweise nicht als Komplikation im Sinne der FPV betrachten, allerdings unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des operierten Patienten.

    Allein - wie sag ich es dem MDK...?

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    nach meiner Meinung gibt es wenig Beispiele, die noch klarer eine Fallzusammenlegung wegen Komplikationen im Zusammenhang mit der erbrachten Leistung zeigen. Wenn kein Bypass gelegt worden wäre, könnte gar keine Thrombose in dem Bypass entstehen. Und das dies dann eine Komplikation darstellt, ist doch klar, oder?

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Dirk,

    solange von einer Blutung oder einer Infektion die Rede ist, stimme ich Dir zu. Eine Thrombose in einem Bypass ist aber oft der Grundkrankheit zuzuschreiben, weil etwa bereits der Zufluss zum Bypass arteriosklerotisch bedingt verlangsamt ist, so dass es spontan zur Ausbildung eines Thrombus kommt. Die Symptomatik entspricht dann meist einfach der Situation vor der Bypassanlage.

    Um nicht falsch verstanden zu werden: es geht mir hier nicht um \"Gerechtigkeit\", sondern um eine Präzisierung des Komplikationsbegriffes. Ich habe keine Probleme damit, auch in solchen Fällen eine Fallzusammenführung durchzuführen, sofern ich davon ausgehen kann, dass dies im Rahmen der DRG-Abrechnung auch überall so geschieht. Ist das so?

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo alle miteinandser,

    was eine Komplikation ist, steht in jedem Medizinlexikon. Ich wundere mich, warum man immer wieder eine Definition des Begriffes fordert, als ob man sich nicht traut, eine Komplikation auch als eine Komplikation zu bezeichnen.

    Der Arbeitskreis Orthopädie der GMDS hat zusammen mit dem damaligen AK-Dokumentation der damaligen DGOT (jetzt DGOOC) (AK) diesen Begriff nach meinen Vorschlägen mehrfach zum Thema gehabt und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch speziell für die Orthopädie und Traumatologie ebenfalls mehrfach publiziert.

    Die folgende Definition wurde seinerzeit verabschiedet.

    Komplikationsdefinition und Komplikationsklassifikation:
    (aus: Diagnose- und Therapieschlüssel in Orthopädie und Traumatologie; Thomas Winter; Bücherei des Orthopäden Band 65 Enke Verlag 1996)


    [hr]
    Definition:

    Zetkin-Schaldach: Wörterbuch der Medizin ( 1973 ) zu dem Begriff
    Komplikation (..):

    „(lat.) f.: im medizinischen Sprachgebrauch Ereignis, das eine
    Krankheit, Entbindung, unfallbedingte Verletzungen, Operationen
    oder andere therapeutische Maßnahmen ungünstig beeinflusst.
    Unterschieden werden unmittelbare K, z.B. Blutung eines Magen-
    geschwürs, u. mittelbare K z.B.: Bronchopneumonie nach Bauch-
    operation.“

    Ergänzung zur Schaldachschen Definition (AK;Winter):

    Als Frühkomplikation gilt jedes Ereignis, das in der Lage ist,
    den stationären Aufenthalt zu verlängern, und als Spätkomplikati-
    on jede (Verdachts-)Diagnose, die ambulant nicht abgeklärt und/
    oder therapiert werden konnte und in Zusammenhang mit einer vor-
    angegangenen Maßnahme gebracht wird.

    Schweregrade (Winter):

    Klasse 1: Komplikationen, die durch Zufall entdeckt wurden und
    keiner Therapie bedurften.
    Klasse 2: Komplikationen, die mit konservativen Mitteln angegan-
    gen wurden, einschließlich konservativer Komplikati-
    onsausschluss (auch arthroskopisch, bei reiner diagnos-
    tischer Arthroskopie).
    Klasse 3: Einfache operative Revision ohne vorzeitige Entfernung
    von Fremdmaterial. Vorzeitige Materialentfernung nur
    unter vollem Erhalt des Operationsergebnisses.
    Klasse 4: Operative Revision mit vorzeitiger Entfernung oder
    Austausch von Fremdmaterial ohne Zurücklassung eines
    Defektes; Methodenwechsel.
    Klasse 5: Radikale Herdsanierung mit Defekt oder Arthrodese bzw.
    Amputation.
    Klasse 0: Komplikation ohne nähere Angaben.

    Sekundäre Komplikationen werden erneut in eine der 5 Klassen
    eingeteilt.

    Hilft Ihnen das weiter?

    Mit freundlichen Grüßen

    Thomas Winter
    Berlin

  • Hallo Herr Winter,
    da stimme ich Ihnen zu. Ich denke der Begriff Komplikation ist den meisten hier klar.

    Aber:
    was ist der Unterschied zwischen Komplikation der Erkrankung
    und
    Komplikation der Behandlung?

    Und gerade hier ist die Grauzone, in dem sich KHs, MDKs und wohl auch bald die Sozialgerichte tummeln werden.

    In vielen Gutachten, die ich erhalte, ist sogar nicht mehr von Komplikationen, sondern nur pauschal von Fallzusammenhängen die Rede, mit denen dann eine Fallzusammenlegung erreicht werden soll.

    Beispiel aus meinem Fachgebiet:
    Löst die Wiederaufnahme eines Patienten, der einen Herzinfarkt erlitten hatte und einige Zeit später dekompensiert eine Fallzusammenlegung aus?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Winter und Herr Horndasch,

    hier ein Beispiel für die vollkommen differente Beurteilung des Komplikationsbegriffs in Bezug auf die Wiederaufnahmeregelung der FPV:

    Zitat

    \"Keine Wiederaufnahme wegen einer Komplikation sind Wiederaufnahmen auf Grund einer unvermeidbaren Arzneimittel-Folgewirkung. Folgewirkung eines Arzneimittels ist ein zur stationären Aufnahme führendes Ereignis, welches bei der Therapieplanung in Kauf genommen wurde. Es ist ein - in der Fachliteratur beschriebener, regelhaft auftretender und für das Erreichen der gewünschten Wirkung grundsätzlich in Kauf genommener - Nebeneffekt der Therapie.\"
    Quelle: Kodierleitfaden Hämatologie (DGHO 2006)

    Zitat

    \"Eine Arzneimittel-Nebenwirkung ist als eine Komplikation zu werten und damit auch eine Komplikation im Sinne der Regelung zur Wiederaufnahme. Dies gilt auch für die Chemo- und Strahlentherapie.\"
    Quelle: Kodierempfehlungen der SEG 4 des MDK

    Die Frage, die sich mir hierbei aufdrängt, ist nicht \"Wer hat Recht?\" (bzw. \"Wer bekommt Recht?\"), sondern \"Warum müssen wir im Jahr 4 der G-DRG-Einführung immer noch solche Grundsatzfragen diskutieren?\".

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo Forum,

    Es ist eben genau dies unentschieden. Die Kodeierempfehlungen des MDK werden von diesem auchh genau so angewandt.
    Eine Argumentation ist hier extrem schwierig. Es soll m.E. auf diesem Wege versucht werden, die Ausnahmen von der WA-Regelung zu unterlaufen.

    Wenn das Intervall zu lang wird, schwenkt die Argumentation dann auch um. Jetzt ist es nicht mehr neutropenisches Fieber (Komplikation + Zusammenführung) sondern B99 als Aufnahmegrund (=billiger).

    Wenigstens aus den onkologischen DRG gehört die Komplikations-Regelung daher raus. :d_neinnein:

    Hier darf als Komplikation nur so etwas wie Paravasat mit Hautnekrosen o.ä. direkte Zusammenhänge gelten.

    Gruß

    merguet

  • Guten Morgen,

    die Frage

    Zitat


    Original von mhollerbach:
    \"Warum müssen wir im Jahr 4 der G-DRG-Einführung immer noch solche Grundsatzfragen diskutieren?\".


    lässt sich m.E. einfach beantworten:

    weil es dazu noch kein BSG-Urteil gibt. :d_neinnein:

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Herr Horndasch,

    ein BSG-Urteil würde hier wahrscheinlich gar nichts ändern, da ja immer der Einzelfall zählt (mannigfaltige Komplikationen bei den verschiedensten Zuständen). Ich erinnere an die alten Zeiten der verschiedenen BSG-Urteile zur Abrechnung der FP und SE bei US-Fraktur. Erst eine verbindliche Definition würde hier weiter greifen, wobei

    ich persönlich so schnell keine erwarte

    und

    hier dann immer noch im Einzellfall gestritten werden würde (Auslegung der (nicht vorhandenen) Definition).

    Insgesamt könnte man zwar dann eine Reduzierung der Streitigkeiten erwarten, mehr aber nicht.