Hypokaliämie als Nebendiagnose - Codierung ja oder nein

  • Das Thema wurde in diesem Forum m.E. zuletzt im Jahre 2003 ausgiebig diskutiert, ist aber immer noch brandaktuell und nicht abschließend gelöst.
    Die beiden kontroversen Meinungen noch mal kurz zusammengefasst: Die eine Seite meint, dass eine Codierung nach E87.6 immer dann gegeben ist, wenn ein der Hypokaliämie entsprechender Laborwert vorliegt und - unabhängig vom Aufwand - eine Therapie (hier reicht eine Tablette Kalinor Brause) erfolgt ist. Die andere Seite argumentiert, dass der therapeutische Aufwand nicht in angemessenem Verhältnis zu der erheblichen Mehrvergütung im Falle der Codierung steht.

    Möglicherweise verschafft folgende Argumentationskette mehr Klarheit: Laut Definition handelt es bei dem Begriff \"Krankheit\" bzw. \"Erkrankung\" um eine Störung der körperlichen, kognitiven und/oder seelischen Funktionen, die die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden eines Lebewesens subjektiv oder intersubjektiv deutlich wahrnehmbar negativ beeinflusst oder eine solche Beeinflussung erwarten lässt. Drohende oder sich anbahnende Erkrankungen sind nach DKR 2006 D001a jedoch nicht zu kodieren, sofern in den ICD-10 Verzeichnissen hierfür nicht ein spezieller Diagnoseschlüssel vorgesehen ist.

    Dies heißt in der Konsequenz, dass nur für den Fall, in dem der Patient subjektiv aufgrund der Hypokaliämie ein deutlich wahrnehmbares Krankheitsgefühl gehabt hat - und davon ist bei einem über Routinelabor erhobenen Nebenbefund wohl nur im Ausnahmefall auszugehen - die Codierung nach E87.6 gerechtfertigt ist.

  • Hallo deffi,

    das ist nun tatsächlich mal eine neue Farbe im Schillernden Kreis der Meinungen :a_augenruppel:.
    Ich mußte erst einmal nachschlagen:

    [f2][mark=grey]Intersubjektiv bedeutet dass eine Erkenntnis nicht auf das einzelne Individuum beschränkt ist sondern andere Individuen unter den selben Voraussetzungen auch die selbe Erkenntnis erlangen.
    Auf die Forschung übertragen heißt das: Das Ergebnis der Forschung ist unabhängig vom Forscher und kann zeitunabhängig von anderen Forschern nachvollzogen werden. Diese würden mit den gleichen Daten und den gleichen Methoden auf das gleiche Ergebnis kommen. [/mark] [/f2]

    Nun: subjektiv werden zahlreiche Krankheiten nicht empfunden. Dies gilt in besonderem Maße für psychiatrische Krankheiten, aber auch für mindestens die Hälfte aller anderen Nebendiagnosen.

    Drohend oder sich anbahnend sind hier aber nur die Folgezustände einer Hypokaliämie. Der physiologische Zustand ist aber durch Grenzwertdefinitionen als pathologisch festgelegt.
    Dies ist opbjektiv überprüfbar. Dieser pathologische Zustand muß therapiert werden, da man sonst die weit schwereren FOlgen billigend in Kauf nehmen würde.

    Gruß

    merguet

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von deffi:
    Dies heißt in der Konsequenz, dass nur für den Fall, in dem der Patient subjektiv aufgrund der Hypokaliämie ein deutlich wahrnehmbares Krankheitsgefühl gehabt hat - und davon ist bei einem über Routinelabor erhobenen Nebenbefund wohl nur im Ausnahmefall auszugehen - die Codierung nach E87.6 gerechtfertigt ist.

    Hallo,

    soll das ein verspäteter/verfrühter Aprilscherz sein? Ich hoffte bis eben, dass die Diskussion um die Hypokaliämie endlich durch ist.
    Entschuldigung, aber so einen Unsinn habe ich in diesem Ausmaß noch nie gehört, so ist dann auch meine Antwort zu verstehen:

    Ich schlage dann vor, z.B. Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma als gesund zu erklären, da sie (Gott sei Dank!) dann oft gar kein Gefühl mehr haben, somit auch keins bezüglich ihrer \"Erkrankung\". Kodieren dürfen wir ja dann nichts, also rein kodiertechnisch eben \"gesund\". Gleichzeitig müssen wir uns dann in den Fällen auf Fehlbelegungsdiskussionen mit dem MDK einstellen!

    Auweia..........

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Guten Tag deffi,

    eine mit skurril zu umschreibende Sichtweise sowohl auf das DRG-System als auch auf Höflichkeitsformen in Webforen schimmerte auch schon in Ihrem anderen Beitrag durch.
    Bezüglich Ihrer Wikipedia-Definition von Krankheiten ist folgendes anzumerken: Das SGB V, welches in diesem Bereich wohl als verbindlicher einzustufen ist, definiert Krankheit als einen regelwidrigen Zustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähgigkeit oder beides zur Folge hat. Die behandlungsbedürftige Hypokaliämie ist somit eine Krankheit. Setzen, sechs.

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Kollegen,

    im Zusammenhang mit der Hypokaliämie sind mir unlängst wieder mal ein paar eigentümliche Ansichten vom MDK angetragen worden. Hier war perioperativ eine Hypokaliämie aufgetreten, behandelt und codiert worden. Letztlich konnte sich der MDK zu der Aussage hinreißen lassen: Wenn im perioperativen Management alles ordnungsgemäß gelaufen ist und alle Infusionen ordnungsgemäß verabreicht wurden, und (nur dann) doch eine Hypokaliämie auftrat, sei sie zu verschlüsseln. Sonst aber nicht...

    Ebenso nett die Aussage eines anderen \"Gutachters\", der behauptete, eine andere Hypokaliämie sie ja nur dadurch entstanden, daß der Patient perioperativ nüchtern bleiben mußte, daher sei die Hypokaliämie ja schon in der OP mit drinn...

    Da sind wir dann mal wieder bei der weiterhin ungeklärten Frage der Qualifikationen und der Qualitätskontrolle.

    Schönes Wochenende,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Guten Tag Herr Leonhard,

    zunächst bitte ich um Aufklärung, in welcher Form ich eine Höflichkeitsform außer acht gelassen haben soll. Meine Meinung - die offensichtlich nicht der Ihren entspricht - wurde von mir völlig neutral formuliert, ohne irgendjemanden in Mißkredit zu bringen. Ganz im Gegensatz zu der Bemerkung \"Setzen, sechs\" am Ende Ihres Beitrages.

    Meinen Beiträgen ist sicher meine persönliche Meinung zu entnehmen, dass ich gewisse Berechnungskonstellationen, die sich aus der rechtlich korrekten Anwendung des DRG-Systemes ergeben, für unangemessen halte. Jeder Arzt in der freien Praxis sollte sich ebenso wie jedes Krankenhaus für den Umfang seiner erbrachten Leistungen und die Höhe seiner Rechnung gegenüber dem Patienten rechtfertigen können. Nur wenn hier ein nachvollziehbares Verhältnis zwischen Aufwand und Rechnungshöhe besteht, kann man seinen Patienten auch nach der Behandlung noch in die Augen schauen. Wenn sich die ärztliche Zunft auf den Standpunkt stellt, es muss alles immer maximal berechnet werden, was eine Gebührenordnung - sei es DRG, GOÄ, EBM, o.ä. - nur hergibt, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn ein ganzer Berufstand in Verruf gerät. Dass es auch anders geht und mit Augenmaß gehandhabt wird, sieht man u.a in einem Beitrag hier, dessen Verfasser mit seiner Einstellung aber auch nicht sonderlich viel Verständnis von den Forenteilnehmern geerntet hat.

    Aus diesem Grund kann ich nicht verstehen, warum sich hier die meisten kompromisslos zum Anwalt auch für die Schwächen des DRG Systemes machen, anstatt sich mit der Sache kritisch auseinanderzusetzen und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Sofern sich die maßgeblich Verantwortlichen nicht zu solchen seit längeren bekannten Mißständen in Form einer nachvollziehbaren Erklärung oder Ankündigung von Änderungsabsichten aüßern, wird es auch noch länger bei Diskussionen zwischen Leistungserbringern, Versicherungen und Patienten im \"Freestyleverfahren\" bleiben.

    deffi

  • Hallo Herr deffi,

    Zitat


    Original von deffi:
    ...zunächst bitte ich um Aufklärung, in welcher Form ich eine Höflichkeitsform außer acht gelassen haben soll...


    Eine Begrüßung am Anfang und ein Gruß am Ende werden immer wieder gern gesehen. Steigern kann man das Ganze noch, wenn man seinen Klarnamen hinzufügt, oder wenigstens eine Info, zu welcher \"Gruppe\" man gehört (Klinik, Versicherung, MDK, Patient, Student...).


    MfG

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Schönen guten Tag deffi,

    Ich gehe davon aus, dass sich die Anspielung auf die Höflichkeit auf die fehlenden Anreden und Grußformeln ihrer bisherigen Beiträge (mit Ausnahme des letzten) beziehen. Im Übrigen fand ich die Form der Reaktionen auf Ihren Beitrag auch nicht immer agemessen.

    Ihre Motivation und die Begründung Ihrer Meinung haben sie ja jetzt dargestellt und ich finde sie auch nachvollziehbar und - ja nun fehlt mir das passende Adjektiv - sagen wir einmal bewundernswert.

    Leider ist sie aber vielleicht auch realitätsfern. Wir leben (vielleicht leider) nicht mehr in einer Zeit, in der ein Patient vertrauensvoll zu \"seinem\" Arzt ging und von diesem dann auch eine - sowohl im Hinblick auf die erbrachte Leistung, als auch auf die persönliche Leistungsfähigkeit des Patienten - faire Rechnung erhielt.

    Das Gesundheitswesen ist nun einmal zu einem nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu funktionierenden institutionalisierten und überreguliertem Massenbetrieb geworden. Und in diesem System, in dem ja auch die inanspruchnahme und medizinsiche Leistung geregelt ist, brauch es eben auch eine formale Regelung für die Abrechnung.

    Und das DRG-System ist ein Fallpauschalensystem, was ja gerade bedeutet, dass es eine pauschale Vergütung für bestimmte Fallgruppen gibt, unabhängig von den tatsächlichen Kosten des Einzelfalles. Und die Zuordnung zu bestimmten Fallgruppen kann dann eben auch nicht nach Gutdünken oder wachsweichen Kriterien wie \"dem Augenmaß\" erfolgen, sondern eben nur nach möglichst klaren Regeln. Und diese ist nun einmal in diesem Fall, dass bei pathologischem Wert und erfolgter therapeutischer Maßnahme - in welcher Höhe auch immer - die Verschlüsselung erfolgen muss.

    Ja - muss!. Denn die Schwächen des Systems werden eben nur dann auch auffällig und behoben, wenn die Regeln eingehalten werden. Denn das Problem liegt ja nicht darin, dass die Hypokaliämie verschlüsselt wird, sondern dass Sie in dem System solche Auswirkunen hat. Diese Auswirkungen werden aber erst dann im System - und damit für alle und nachhaltig - geändert, wenn auffällt, dass die Hypokaliämie als Nebendiagnose keine Unterschiede in den Kostenstrukturen macht. Werden die Regeln - wie von Ihnen dargestellt - nicht eingehalten, dann gibt es auch keine Auffälligkeiten und der Fehler verbleibt im System.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Hr. Balling und alle anderen,

    vielen Dank für Ihren Hinweis zu den erwarteten Höflichkeitsformen. War keine böse Absicht, nur meine persönliche Unkenntnis im Umgang mit IT-Foren.

    mfg
    deffi (Arzt/Zahnarzt und auch Patient)

  • Guten Tag, Herr Deffi,

    wenn Sie im Suchfeld außer dem Klartext (hier: \"Hypokaliämie\") auch noch den ICD (hier: E87.6) eingeben, erhalten Sie deutlich mehr Ergebnisse. Sie werden sehen, dass die Diskussion um die Hypokaliämie in den letzten Jahren stetig weiter diskutiert wurde, zuletzt im Mai 2006.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mit freundlichen Grüßen

    Claudia Mertens

  • Guten Tag Herr Schaffert,

    Zitat

    Und das DRG-System ist ein Fallpauschalensystem, was ja gerade bedeutet, dass es eine pauschale Vergütung für bestimmte Fallgruppen gibt, unabhängig von den tatsächlichen Kosten des Einzelfalles. Und die Zuordnung zu bestimmten Fallgruppen kann dann eben auch nicht nach Gutdünken oder wachsweichen Kriterien wie \"dem Augenmaß\" erfolgen, sondern eben nur nach möglichst klaren Regeln. Und diese ist nun einmal in diesem Fall, dass bei pathologischem Wert und erfolgter therapeutischer Maßnahme - in welcher Höhe auch immer - die Verschlüsselung erfolgen muss.

    Der Grundgedanke eines Fallpauschalensystems ist m.E. zwar in Ordnung, jedoch soll damit auch vermieden werden, dass jedes Pflaster und jede Tablette einzeln berechnet werden. Auch bei einem Fallpauschalensystem muss eine gewisse Beziehung zwischen der Schwere der Erkrankung bzw. dem Umfang bzw. Aufwand deren Behandlung und den abzurechnenden Kosten bestehen, sonst könnte man ja auch gleich zu einer reinen Patientenpauschale pro stationärer Aufnahme in ein Krankenhaus übergehen. Letzteres wäre aber im höchsten Maße ungerecht und ist auch nicht gewollt, sodass nach wie vor die Controller über einen Ermessensspielraum verfügen (sollten), wie sie einen konkreten Fall codieren.

    Zitat

    Ja - muss!. Denn die Schwächen des Systems werden eben nur dann auch auffällig und behoben, wenn die Regeln eingehalten werden. Denn das Problem liegt ja nicht darin, dass die Hypokaliämie verschlüsselt wird, sondern dass Sie in dem System solche Auswirkunen hat. Diese Auswirkungen werden aber erst dann im System - und damit für alle und nachhaltig - geändert, wenn auffällt, dass die Hypokaliämie als Nebendiagnose keine Unterschiede in den Kostenstrukturen macht. Werden die Regeln - wie von Ihnen dargestellt - nicht eingehalten, dann gibt es auch keine Auffälligkeiten und der Fehler verbleibt im System.

    Grundsätzlich gebe ich Ihnen recht, dass Schwächen im System nur geändert werden, wenn sie für alle erkennbar immer wieder und lange genug zu Tage treten. Abgesehen davon, dass das Thema Hypokaliämie nicht erst seit gestern existiert, kann ich mir in der Praxis aber kaum vorstellen, dass an einer speziellen Codierung(srichtlinie) ohne Anstoss von außen etwas geändert wird, solange sie zuviel Geld einbringt.

    Gruß
    deffi (Arzt/Zahnarzt und Patient)