"abgestuftes Verfahren nach § 275 SBG V" ?

  • Hallo Forum,

    in letzter Zeit erhalten wir vermehrt Anschreiben von gesetzlichen Krankenkassen, in denen unter Berufung auf das \"abgestufte Verfahren nach § 275 SBG V\" um die Zusendung von Behandlungsunterlagen - gerne auch in verschlossenem Arztbrief - aufgefordert wird.
    Ziel soll offenbar sein, die Unterlagen im Rahmen einer Vor-Ort-Sichtung durch den beratenden MDK-Arzt in der KK-Geschäftstelle auf Tauglichkeit hin zu testen, ob sich bei dem Fall ein offizieller MDK-Prüfauftrag für die KK lohnt und die Wahrscheinlichkeit zur 100,-€-Zahlungsverpflichtung gemindert ist.

    Neben der Tatsache, dass ich keinen Hinweis auf die Definition eines \"abgestuften Verfahrens\" im § 275 finden kann, lese ich daraus auch, dass die KK \" durch den Medizinischen Dienst\" zu prüfen hat - was schlussfolgern lässt, dass auch die Anforderung der Unterlagen durch den MDK zu erfolgen hat (und damit eine offzielle Prüfungsanzeige vor dem Hintergrund der neuen 6-Wochen-Regelung generiert wird) und nicht die Krankenkasse stellvertretend für den MDK quasi parallel und inoffiziell eine Vorabprüfung initiieren kann.

    Wie sehen Sie das? Liege ich falsch, wenn ich als Reaktion auf diese Anforderungen um einen offiziellen Prüfauftrag durch den MDK bitte?

    Gruß, Cherax

  • Hallo Cherax,

    Sie liegen nicht falsch.

    Ein abgestuftes Prüfverfahren existiert nur in den Köpfen einiger KK Chefs.

    Die KK gibt den Prüfauftrag an den MDK, und dieser muss innerhalb von sechs Wochen nach Eingang der Rechnung bei der KK dem KH die Prüfung anzeigen.

    Wobei da noch unklar ist, ob der MDK dem KH konkret mitteilen muss, was geprüft werden soll.
    Da sich der Gesetzgeber in der Begründung für die Änderung des § auf das BSG Urteil B 3 KR 11/03 R bezieht, und in diesem Urteil auch eine substantiierte Begründung für eine Prüfung gefordert wird, würde ich davon ausgehen, dass ein Standardschreiben vom MDK, nach dem Motto \"Wir zeigen Ihnen zur Wahrung der Fristen die Prüfung an. Welche Unterlagen benötigt werden teilen wir Ihnen noch mit.\" nicht ausreichend ist.

    Schreiben von den KKn zum Zwecke der Fristwahrung bei Prüfung können m.E. getrost in Ablage P wandern.

    Gruß
    papiertiger

    Sport: eine Methode, Krankheiten durch Unfälle zu ersetzen.

  • Zitat


    Original von papiertiger:
    Ein abgestuftes Prüfverfahren existiert nur in den Köpfen einiger KK Chefs.

    Guten Tag,
    ganz so einfach ist es nicht: in mehreren Landesverträgen (z.B. hier in NRW) ist festgelegt das die KK zunächst direkt beim Krankenhaus einen Kurzbericht anfordern darf. Ich schätze mal dass die KK das mit \"abgestuftem Verfahren\" meint. Dann sollte aber im Anforderungsschreiben ausdrücklich auf den Landesvertrag Bezug genommen werden.

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Forum,

    Dennoch steht im GKV-WSG, das die Prüfung durch den MDK anzuzeigen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt läuft die Prüffrist. Aufschiebende Wirkung durch den Bericht nach §112 scheint mir nicht gegeben. Insbesondere, da dieser u.U. nicht zeitnah geliefert wird.

    Gruß

    merguet

  • Hallo,

    hier in Berlin wird die Prüfanzeige durch den MDK künftig via Fax verschickt.
    Ein abgestuftes Verfahren, sowas gibt es im Rahmen von §275 nicht sondern nur in Landesverträgen nach §112 allenfalls den sogenannten Kurzbericht, der aber ja keine medizinischen Details enthalten darf.

    Fragen Sie doch mal nach der rechtlichen Grundlage dieses abgestuften Verfahrens zur Prüfung durch Ihren Juristen ;)

    Ich halte das für einen Versuch der Kasse ihr 100€ Risiko zu minimieren, den ich nicht tolerieren würde. Also ordentliches Verfahren nach §275 einfordern, wenn Sie einen Arztbrief haben wollen, müssen Sie bei Nicht-Beanstandung auch die 100€ Euro Aufwandsentschädigung zahlen.

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Hallo,

    ich meinte das Urteil B 3 KR 11/01 R.

    Gruß
    papiertiger

    Sport: eine Methode, Krankheiten durch Unfälle zu ersetzen.

  • Hallo zusammen, liebe Juristen,
    bei uns häufen sich die Fälle in denen die KK innerhalb der Sechs-Wochen-Frist einen Kurzbericht gemäß Landesvertrag § 112 (NRW) anfordern und angeben, \"ggf.\" eine Prüfung durch den MDK einzuleiten. Dort wird offenbar davon ausgegangen dass die Prüffrist durch dieses Verfahren ausgehebelt werden kann. Wie sieht es nun aus wenn die MDK-Prüfung erst nach Verstreichen der 6 Wochen eingeleitet wird - ist eine Rechnungskürzung dann nach dem Grundsatz Bundesrecht (§ 275 SGB V) schlägt Landesrecht (Landesvertrag gem. § 112) ausgeschlossen? Schön für die Krankenhäuser wenn dem so wäre - aber wird der Landesvertrag dann nicht zur Farce?

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Schöndn guten Tag Herr Leonhardt!

    Zitat


    § 275 SGB V Abs. 1c
    Bei Krankenhausbehandlung nach § 39 ist eine Prüfung nach Absatz 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen...

    Die Sechswochenfrist bezieht sich eindeutig auf die Prüfung nach 275 SGB V und nicht auf landesvertragliche Regelungen. Entweder wird innerhalb der sechs Wochen eine MDK-Prüfung eingeleitet und angezeigt, für die dann ggf. auch 100€ fällig werden, oder eine Prüfung ist ausgeschlossen!

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo,

    auch ich sehe hier keine Hemmung der Frist aus §275 SGB V durch die Einleitung einer Prüfung entsprechend des Landesvertrages nach §112. Die tatsächliche Beduetung der 112er-Prüfung sehe ich eigentlich nur noch während einer stat. Behandlung.

    Der Landesvertrag ist ja in vielen Punkten \"überholt\" und auch nur fortgeltend, obwohl schon lange gekündigt; Ein neuer Vertrag wurde aufgrund des \"drohenden\" GKV-WSG zurückgestellt. Natürlich ist er per se weiterhin gültig. Einen Kostenträger, der sich stur auf den Landesvertrag beruft, würde ich dann auch einmal auf den Punkt \"Beurlaubungen\" hinweisen...z.B. die vorherige Genehmigungspflicht von Beurlaubungen durch die KK. :)
    Wobei ich zugeben muß, die zweiwöchige Zahlungsfrist unabhängig von einer Prüfeinleitung im Landesvertrag zu schätzen...

    Den Grundsatz \"Bundesrecht bricht Landesrecht\" sehe ich hier aber nicht, da der \"Ursprungsparagraph\" 112 ja auch Bundesrecht ist. Allerdings entspricht der Vertrag (zumindest in NRW) nicht mehr der Realität. Daher würde ich hier davon ausgehen, dass auch aufgrund des Willens des Gesetzgebers (Bürokratieabbau) hier §275 SGB V vorgeht.

    So, genug Laienmeinungen, Juristen an die Front...

    Gruß, J.Helling

  • Hallo Forum,

    ich bin zwar kein Jurist, aber zumidnest für NRW würde ich den Fall recht eindeutig sehen. Die Verträge anch § 112 SGB V gelten selbstverständlich weiter, solange diese nicht gekündigt sind. Wenn einzelne Bestandteile dieser Verträge durch das WSG bundeseinheitlich geregelt sind, hat das auf den Rest keinen Einfluss.

    Laut dem Landesvertrag NRW haben die Kassen Anspruch auf einen sogenannten Kurzbericht. Wenn daran angeschlossen eine Prüfung durch den MDK erfolgt, können Sie auch nichts dagegen machen. Die 6-Wochenfrist wird dadurch allerdings nicht gehemmt, sondern hängt alleine an der Anzeige durch den MDK.

    Das der Landesvertrag ziemlich überholt ist, dabei stimme ich Ihnen zu.

    Eine Einigung auf einen neuen Vertrag halte ich allerdings aufgrund der eher niedrigen Kompromissbereitschaft auf allen Seiten für unwahrscheinlich.

    MFG

    Bern

    ehemaliger Versicherungsvertreter