Diagnostik teilweise ambulant?

  • Hallo Forum,

    Ein großer, überregionaler Kostenträger legt haufenweise Gutachten vor, die die Überschreitung der OGVD abschlägig bescheiden. Zur Begründung wird angegeben, daß einzelne diagnostische Maßnahmen, etwa MRT, ÖGD o.ä. nach Entlassung ambulant hätten erbracht werden können.
    Mir sträubt sich dabei alles. Abgesehen davon, daß man durchaus intern überprüfen kann, ob der gesamte Ablauf hätte straffer sein können sind derartige Forderungen m.E. völlig willkürlich.

    Im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung einzelne Fragestellungen isoliert herauszulösen und als ambulant zu klassifizieren ist für den Patienten eine Zumutung und für die Zusammenschau der Befunde störend.

    In einer langen Diagnostik-Kette lassen sich wahrscheinlich isoliert betrachte alle Maßnahmen ambulant erbringen. Mir lag ein Fall vor, bei dem im Rahmen der Evaluation vor Transplantation gefordert wurde, daß insgesamt 16 Maßnahmen ambulant zu erbringen gewesen wären.


    Hat jemand eine griffige Argumentation für derartige Fälle?

    Gruß

    merghuet

  • Hallo Merghuet,

    da streuben sich einem in der Tat sämtliche Nackenhaare. Grundsätzlich besteht natürlich die Frage wie dringend die diagnostischen Maßnahmen durchzuführen waren. Haben Sie schon mal versucht einen Termin für eine zeitnahe ambulante (z.B. innerhalb 1 Woche) MRT-Untersuchung zu bekommen?!

    Ich habe mal eine ganz interessante Auslegung des § 39 SGB V gefunden:
    § 1 Abs. 2 Krankenhausbehandlungs-Richtlinien
    \"Die ambulante Behandlung hat Vorrang vor der stationären Behandlung, wenn das Behandlungsziel zweckmäßig und ohne Nachteil für den Patienten ... erreicht werden kann\".

    Gruß
    Googs

  • Hallo, merguet,

    hier handelt es sich um ein Spezialproblem; allerdings ist es nicht auf Ihre Klinik beschränkt und erstreckt sich auch auf kleine Kassen mit Schwerpunkt im \"Ruhrpott\"/Saarland, die sich derart um teure Fälle kümmern, zum Teil rückwirkend noch nach Jahren.

    Leider sind die OPS unter 1-920.- ungenügend operationalisiert und nicht einmal auf Transplantationszentren beschränkt (s. auch Thread zur Lebertransplantation), so dass unter einer Teilevaluation, Voll- und Reevaluation Unterschiedliches verstanden werden kann, klar ist auch, dass einzelne Maßnahmen de facto schon wohnortnah und ambulant erbracht werden und dies je nach Krankheitsbild z.T. erweiterbar wäre.

    Nun wohnt aber nicht jeder Patient neben seinem Transplantationszentrum, bei Tumorerkrankungen ist evtl. der Zeitfaktor maßgebend. Im TPG ist festgesetzt, dass für die Aufnahme auf die Warteliste ein Transplantationszentrum zuständig ist. Ob Leistungen in diesem Zusammenhang ambulant oder stationär zu erbringen sind, ist letztlich nicht verbindlich geregelt, allerdings ist klar, dass diese Strukturen auch irgendwo bezahlt werden müssen. Außerdem ist der eigentliche Punkt nicht die Anmeldung, sondern die Koordination und die Zusammenschau aller Befunde, die eine Erfolgsbeurteilung vor geplanter TX ermöglicht. Nach meiner Kenntnis wird nirgendwo in Deutschland die TX-Vorbereitung rein ambulant durchgeführt. Es wäre völlig sinnlos gewesen, vor Jahren zig Kodiermöglichkeiten für TX-Vorbereitungen neu zu erfinden, wenn man sie nicht für stationäre Abrechnungszwecke hätte nutzen wollen. (Wieviele davon wirklich beibehalten werden sollten, sei dahingestellt).

    Da in der Gesundheitsreformwelt alles immmer im Fluss bleibt, sind die Fachgesellschaften und Gremien gefordert, sich dringend um dieses Thema zu kümmern, und die Controller an der Front mit Argumenten zu unterstützen. Mit der sehr beschränkten Sichtweise in den Begutachtungen einzelner Sozialmediziner kommen wir hier nicht weiter.

    Gruß murx

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    Zitat


    Original von merguet:
    Ein großer, überregionaler Kostenträger legt haufenweise Gutachten vor, die die Überschreitung der OGVD abschlägig bescheiden. Zur Begründung wird angegeben, daß einzelne diagnostische Maßnahmen, etwa MRT, ÖGD o.ä. nach Entlassung ambulant hätten erbracht werden können.


    Pauschale Behauptungen „hätte ambulant erbracht werden können“ sind zurückzuweisen. Ein derartiges Gutachten stellt keinen Sachverständigenbeweis dar. Das Gutachten ist somit als „Parteivortrag“ einzustufen.
    Gefordert werden muß eine nachvollziehbare Würdigung der Umstände die am Prinzip der Güter- und Interessenabwägung für den konkreten Einzelfall ausgerichtet ist.


    Zitat


    Original von merguet:

    Mir lag ein Fall vor, bei dem im Rahmen der Evaluation vor Transplantation gefordert wurde, daß insgesamt 16 Maßnahmen ambulant zu erbringen gewesen wären.


    Es ist immer wieder erstaunlich, dass ein Sozialmediziner, der wahrscheinlich nie in der Transplantationsmedizin aktiv und verantwortlich tätig war, in der Lage ist solche kühnen Behauptungen aufzustellen.

    Gemäß der wissenschaftlichen Expertiseforschung gilt: Expertise kann nur in einem Fachgebiet erworben werden, so daß Personen in einem Gebiet Experten, in anderen Gebieten Novizen sind.


    Persönlicher Kommentar:

    Barnums Gesetz: Manche Leute kann man die ganze Zeit und alle Leute manchmal an der Nase herumführen, aber niemals alle Leute zu jeder Zeit!


    Gruß

    Eberhard Rembs

  • Zitat

    Pauschale Behauptungen „hätte ambulant erbracht werden können“ sind zurückzuweisen. Ein derartiges Gutachten stellt keinen Sachverständigenbeweis dar. Das Gutachten ist somit als „Parteivortrag“ einzustufen.
    Gefordert werden muß eine nachvollziehbare Würdigung der Umstände die am Prinzip der Güter- und Interessenabwägung für den konkreten Einzelfall ausgerichtet ist.

    ....

    Eberhard Rembs

    Sehr geehrter Herr Rembs,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich bin ganz sicher, dass die Argumentation so oder ähnlich lauten wird. Aber:

    Dies passiert doch alles erst, wenn das Kind schon das erste Mal in den Brunnen gefallen ist, nachdem unverhältnismäßige Prüfungen ausgelöst wurden, die letztlich eine Zumutung und eine gigantische Zeit- und Geldverschwendung darstellen.

    Unser Problem ist doch vor allem, dass wir uns oft nicht mit einer souveränen Begutachtung, sondern mit auftragsgemäßen Pseudostellungnahmen befassen müssen, die vor Gericht vermutlich durchfallen würden.

    Aber der Weg dahin ist weit, denn es sind allenthalben Kapazitätsgrenzen gesetzt. Wissen wir denn, ob die heutigen Gepflogenheiten noch interessieren, wenn die erste höchstrichterliche Entscheidung ergeht? Nach meinen Informationen bearbeiten die Sozialgerichte noch vielfach Fälle aus der Vor-DRG-Zeit, es gebe auch, zumindest in Rheinland-Pfalz und Hessen, keinerlei Statistik über Entwicklung von Verfahren im Zusammenhang mit der Einführung der DRG und ein Bedarf hierfür werde nicht gesehen (im Verhältnis zu Hartz IV scheint diese Rechtsprechung offenbar quantitativ unbedeutend).

    Daher meine Forderung, dass die Probleme bei ihrer Entstehung gelöst werden müssen und nicht am Ende der Fahnenstange.

    Schöne Pfingsten

    Gruß murx

  • Hallo Forum

    Zitat


    Original von murx:
    Nach meinen Informationen bearbeiten die Sozialgerichte noch vielfach Fälle aus der Vor-DRG-Zeit

    Die Latenz beträgt derzeit bis zu 8 Jahre...

    Gruß

    Merguet

  • Hallo Forum,
    .. vielleicht ist meine Anfrage hier nicht korrekt plaziert; die Überschrift passt aber ganz gut.

    1. Aufenthalt: 10.03.2008 - 19.03.2008
    Hier als ND ein möglicher NSTEMI mit infarkttypischer Medikation.

    2. Aufenthalt: 08.04.2008 - 14.04.2008
    Fallzusammenführung wegen Part.W.

    Während des 1. Aufenthaltes wurde ein ambulanter Termin zur Coro für den 25.03.2008 vereinbart.

    Nun möchte der MDK - zur Bestätigung des NSTEMI - den Coro-Bericht einsehen.
    Ich meine, der Bericht steht nich zur Debatte, da die Coro ambulant und zwischen den beiden st. Aufenthalten durchgeführt wurde.
    Gruß,
    B. Schrader

  • Guten Tag, Herr Schrader

    In der Tat ist dies schwierig. Hier lebt die oft geführte Diskussion um die Verdachtsdiagnose wieder auf. Der Coro-Befund mag da weiterhelfen, wenn man ihn als einen nachträglich eingehenden Befund wertet.

    Ob SIe den Befund weitergeben dürfen, weiss ich nicht, ich nehem aber an, wenn der Bestandteil Ihrer AKte ist, spricht nichts dagegen, zumal der Pat ihn ja beim zweiten Aufenthalt als Vorbefund vorgelegt hat.

    Der NSTEMI ist aber durch den Koro-Befund kaum zu beweisen, eher doch am typischen Enzymverlauf...

    Lässt sich denn die Diagnose überhaupt halten? oder war es doch eher eine I20.0?

    Gruß

    merguet

  • Hallo \"merquet\",
    der NSTEMI ist - lt. Labor-Werte - gesichert; die Pat. hatte nur keinerlei Symptomatik.

    Der 2. Aufenthalt (CH) gibt keine Auskunft über das Ergebnis der Coro (Bericht ist nicht in der Akte)

    Für mich waren bei einem NSTEMI - bis dato - immer die Laborwerte maßgebend. Nach nochmaliger Rücksprache mit dem OA liegt gem. Labor ein NSTEMI vor.

    Grundsätzlich ist für mich zu klären, ob der MDK in diesem Fall..
    a.) ein Recht auf den Coro-Bericht hat..
    b.) dieser in Bezug auf einen NSTEMI überhaupt eine Aussage treffen kann..zumal die Laborwerte für einen NSTEMI sprechen.

    Schönes Wochenende,
    Gruß,
    B.Schrader

  • Hallo Herr Schrader,

    Literatur zur Konsensuskonferenz über die Definition des Myokardinfarkts, auf der der NSTEMI als MI definiert wurde, finden Sie hier:

    The Joint European Society of Cardiology/American College of Cardiology Committee. Myocardial infarction redefined - A consensus document of the The Joint European Society of Cardiology/American College of Cardiology Committee for the Redefinition of Myocardial Infarction. Eur Heart J 2000; 21: 1502-1513

    oder auch hier:

    Pilz G. Neue Definition des Myokardinfarktes: Ergebnisse der ESC/ACC-Konsensuskonferenz. Herzmedizin 2000; 17(4): 154-159.

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke