• Hallo Forum,
    ein Dauerbrenner ist immer wieder die Frage, ob die Kodierregel D002 bezüglich der \"konkurrierenden Hauptdiagnose\" im Einzelfall zutreffend ist oder nicht.
    Ich möchte auch einen Fall beitragen, den ich in dieser Konstellation mit der \"Suchfunktion\" nicht gefunden habe.

    Fallbeschreibung:
    Ein 50 jähriger schwer dementer Patient (Down Syndrom), der nicht sprechen oder sich sonstwie gezielt äußern kann, wird vom Notarzt mit dem V.a. eine Hüftgelenksluxation bei Z.n. DHS vor einem Monat eingeliefert.
    Der Verlauf war damals schon kompliziert mit Infektion etc.
    Der Patient hat aktuell nur geschrien und war unruhig. man hat dies auf Schmerzen an der operierten Hüfte geschoben.

    Sowohl Röntgenbild als auch weitere Untersuchungen in Narkose einschließlich Gelenkpunktion ergaben allerdings keinen Hinweis auf Pathologie in diesem Bereich.
    Allerdings fiel schon beim Aufnahme-Labor eine Anämie mit Hb von 7,3 g/dl und eine Niereninsuffizienz mit einer GFR von 21,6 ml/min bei einem Krea von 3,24 mg/dl auf.

    Da an der Hüfte keine Diagnose zu stellen war haben wir die Niereninsuffizienz, die natürlich auch behandelt wurde, zur Hauptdiagnose gemacht.

    Der MDK (Chirurg) besteht besteht darauf, dass die Niereninsuffizienz allenfalls Nebendiagnose sein könne und macht in seinem Gutachten die F71.9 Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung:Deutliche Verhaltensstörung, die Beobachtung oder Behandlung erfordert zur Hauptdiagnose.

    Auch die Anämie, die mit zwei Erythrozytenkontentraten behandelt wurde, wird alternativ nicht als Hauptdiagnose akzeptiert.

    Generell mache ich die Beobachtung, dass MDK-Kollegen mit chirurgischer Ausbildung Schwierigkeiten in der Bewertung von internistischen Krankheitsbildern haben und diese keinesfalls als Hauptdiagnose zulassen können.
    Dies trifft in der Regel aber auch für die behandelnden chirurgischen Kollegen zu, die häufig internistische Erkrankungen gänzlich ignorieren.

    Für mich ist der Text der Kodierregel:

    Zwei oder mehr Diagnosen, die gleichermaßen der Definition der
    Hauptdiagnose entsprechen

    Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder
    der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und
    ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss
    vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-
    Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die
    für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es
    unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht.

    so auszulegen, dass der behandelnde Arzt (nicht der MDK) entscheiden kann, welche Diagnose in diesem Fall Hauptdiagnose wird.

    Ich bitte um Diskussion :d_niemals: :d_neinnein: :d_gutefrage: :sterne:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Zitat


    Original von Thomas_Heller:
    Der Patient hat aktuell nur geschrien und war unruhig. man hat dies auf Schmerzen an der operierten Hüfte geschoben.

    Sowohl Röntgenbild als auch weitere Untersuchungen in Narkose einschließlich Gelenkpunktion ergaben allerdings keinen Hinweis auf Pathologie in diesem Bereich.
    Allerdings fiel schon beim Aufnahme-Labor eine Anämie mit Hb von 7,3 g/dl und eine Niereninsuffizienz mit einer GFR von 21,6 ml/min bei einem Krea von 3,24 mg/dl auf.

    Da an der Hüfte keine Diagnose zu stellen war haben wir die Niereninsuffizienz, die natürlich auch behandelt wurde, zur Hauptdiagnose gemacht.

    Hallo Herr Heller,

    schwieriger Sachverhalt. Die Entscheidung des MDK beruht anscheinend an den äusserleich wahrnehmbaren Symptomen (Pat. hat aktuell nur geschrien und war unruhig). In Verbindung mit der Eigenanamnese des Pat. gelangt MDK dann zu dieser HD. Wahrscheinlich wird MDK die HD Niereninsuff. nur dann akzeptieren, wenn er daran glauben kann, dass die o. g. Beschwerden wie Schreien und unruhig sein auch durch eine Niereninsuff. verursacht werden können. Bei einem Krea von 3,24 kann jemand schon mal unruhig sein. Wer unruhig ist, kann auch mal schreien. Ob das MDK als Argument reicht...

    Gruß
    Ordu

  • Hallo miteinander,

    sehe ich auch als schwierig an.

    Zwei Hauptdiagnosen sind zu prüfen, wenn jede einzelne die Definition erfüllt, also Anlass der stat. Behandlung waren.
    Der Pat. äußert sich unklar, hat Schmerzen; der V.a Hüftproblem bestätigt sich nicht.
    Können Sie einen medizinischen Zusammenhang zwischen Niereninsuffizienz und Beschwerdebild beim M. Down belegen? Oder hatte er einen Harnverhalt?
    Die Anämie halte ich eindeutig für eine Nebendiagnose. Der HB Wert ist noch keine Transfusionsindikation.

    Eventuell muss das Symptom als HD verwendet werden- Schmerz! Wenn die Ursache die Niere ist?- Steine- Koliken, dann wäre es klar.

    ps. bin auch Chirurg

    Mfg

    Uwe Neiser


  • Hallo,
    ich sehe das nicht als Problem von konkurrierenden HD, sondern generell als Problem der HD-Zuweisung.
    Aufnahmegrund im weitestens Sinne war ja offensichtlich das Schreien des Patienten. Oder warum sonst wurde der Notarzt geholt?
    dann stellt sich die Frage: wurde die chrirugische Dagnostik schon stationär durchgezogen? Oder wäre der Patient wieder entlassen worden, wenn die Diagnostik nix ergeben hätte?
    Warum wurde er letztendlich stationär aufgenommen?
    Wegen dem Hb? Wegen dem Crea? Oder wegen der \"Äusserungen\"?
    Nach der Antwort auf diese Frage richtet sich m.E. die HD, selbstverständlich muss die Dokumentation dazu passen.
    Und da gibt es eben (leider) mitunter auch eine Diskrepanz zwischen chirurgischen Kollegen und internistischen Diagnosen (und vice versa).

    Schönen Feierabend allseits
    :i_drink:

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Heller und Mitstreiter,
    ich glaube die Niereninsuffizienz St. IV, die der Patient offensichtlich hat, kriegen Sie als HD wirklich nur dann durch, wenn Sie beweisen können, daß es die Urämie war, die zu den vom Pat. gezeigten Symptomen geführt hat. Will sagen, man bräuchte mehr Informationen von Ihnen um den Fall zu beurteilen. Wie hoch war denn der Harnstoff, wie sauer war der Patient, lagen überhaupt irgendwelche Elektrolytentgleisungen vor? Die (renale) Anämie allein erklärt die Symptome ja wohl nicht.

    Schönen Feierabend auch meinerseits
    Dr. Stefan Stern

  • Liebe Kollegen,
    herzlichen Dank für die rege Teilnahme an der Beantwortung dieser kniffligen Frage.

    Es geht hier sicherlich nicht so sehr darum, welche Ursachen für das Verhalten des Patienten denkbar sind und wer sich mit seiner Sichtweise durchsetzt. Der MDK hat ja nicht zu prüfen, welche die günstigste Behandlungsalternative oder die wahrscheinlichste Hauptdiagnose ist, sondern er hat lediglich zu überprüfen, ob der behandelnde (kodierende) Arzt eklatante Fehler bei der Kodierung gemacht hat, indem er die Deutschen Kodierrichtlinien außer acht gelassen oder Ein- und Ausschlüsse bei der Diagnosenkodierung nach ICD-10 GM nicht berücksichtigt hat.
    Und dies bitte jeweils unter Berücksichtigung des Kenntnisstandes zum damaligen Zeitpunkt.

    Soweit jedenfalls die gefestigte Rechtsprechung.

    Einweisungs- und Aufnahmediagnose sind jedenfalls nicht bindend bei der Auswahl der Hauptdiagnose.


    Krankenkassen oder MDK-Kollege, die dies regelmäßig behaupten (natürlich nur solange es für ihre Finanzen günstig ist) sind m.E. im Unrecht. :i_baeh:

    So sieht das auch das Sozialgericht Würzburg in seiner Entscheidung vom 13.11.2006 Az.: S 15 KR 293/04

    Hinweise dazu finden Sie auch unter
    http://www.bkg-online.de/bkg/app/Conten…n/faqlisten.jsp

    bzw. den Inhalt des Urteils im Anhang unter:
    http://www.harald-mang.de/publikationen/…ierung_2007.doc

    Ich werde morgen in Würzburg an rufen und nach der Rechtskraft des Urteils fragen.
    Einen schönen Abend noch.
    :i_drink:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken


  • Das Landessozialgericht des Freistaates Bayern ermittelt immer noch! 8) :d_niemals:
    (Und wir bekommen regelmäßig Schwierigkeiten, wenn wir uns mit Widersprüchen Zeit lassen) :boese:

    Das Aktenzeichen vom LSG Bayern lautet: L5 KR 384/06

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Zitat


    Original von Thomas_Heller:
    Und dies bitte jeweils unter Berücksichtigung des Kenntnisstandes zum damaligen Zeitpunkt.

    Guten Tag Herr Heller,
    und was ist mit der Analyse nach Ende des Aufenthaltes (siehe DKR D002)?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Schönen guten Tag Herr Horndasch!

    Ich sehe da kein Problem:
    Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Kodierung = Ende des Aufenthaltes

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Zitat


    Original von E_Horndasch:

    ....und was ist mit der Analyse nach Ende des Aufenthaltes (siehe DKR D002)?

    Hallo Herr Horndasch,
    die Analyse am Ende des Aufenthalts führt ja gerade zu meinem Ergebnis:
    1. Kein Abszeß oder Luxation im Hüftgelenk ->nicht kodierbar
    2. Maßgeblich für die Dauer des Aufenthalts war die schon am Aufnahmetag festgestellte Niereninsuffizienz (übrigens keine chronische und damit auch keine \"renale Anämie\"), die in den fünf Tagen des stationären Aufenthalts behandelt wurde. -> kodierbar als HD selbst wenn ein Hüftgelenkproblem bestanden hätte, da bei Aufnahme bekannt und somit konkurrierend (nur für Internisten einsichtig, weil man nicht operieren kann) :sterne:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Guten Morgen Herr Heller,
    gerade aus nephrologisch-internistischer Sicht kann ich Ihre Argumentation leider nicht nachvollziehen, denn:
    wenn, wie Sie sagen, nur eine passagere reversible Kreatininerhöhung von max. 3,2 mg/dl vorlag ohne schwerwiegende Azotämie, Azidose und/oder Elektrolytentgleisung, dann waren die Symptome des Patienten ja eher NICHT urämischer Genese und
    wenn die Urämie NICHT die Symptome Ihres Patienten verursacht, kann sie hier auch nicht die HD sein. Meines Erachtens müßten Sie, wenn Sie die Ursache der Symptome nicht kennen, auch die HD auf Symptomebene kodieren.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Dr. Stefan Stern