Ihr "Kriminellen": Nehmt dies

  • Moin,

    ahhh ja. Schön.
    DIe AOK hat also nur mit Kriminellen zu tun, sonst müsste Sie ja nicht solche GA in Auftrag geben.
    Da fällt mir ein: Ich muss heute unbedingt noch die Widersprüche für die AOK fertig machen. ;-)))

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    man sollte hier vielleicht jetzt nicht nur auf \"Kriminelle\" fokussieren. Das Gutachten kommt ja zum Schluss, dass nur von einem geringen Anteil mutwilliger Falschabrechnung auszugehen ist. Dass es dies gibt, will doch keiner ernsthaft bestreiten, oder? Ob man den Vorschlägen zur Anpassung des Prüfverfahrens dann inhaltlich folgen möchte, ist diskussionsfähig.


    Siehe auch:

    http://www.aok-gesundheitspartner.de/bund/krankenha…nung/index.html

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo -

    Zitat

    Insofern bedarf es einer Sensibilisierung der Prüfmitarbeiter dafür, dass bei gravierenden Fehlerformen gegebenenfalls auch – und sei es nur gelegentlich oder gar nur in Einzelfällen – das Strafrecht auf den Plan gerufen sein könnte.

    ... da würde ich als schnellen und pragmatischen Einstieg den \"Controllingkarzer\" vorschlagen: pro 0,01 CM Rechungskürzung 1 Tag bei max. 400 kcal. Ein Raum ist in jedem KH ab 200 Betten vorzuhalten (nicht größer als 2 qm). Fernüberwachung und \"Einschluss\" durch neue Abt. des MDK (dann: Medizin Delinquenten Kontrolle).

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Moin,

    Das GA ist interessant. Eine Quantifizierung wird nicht vorgnommen. Am interessantesten ist für mich die Tabelle 1 im Anhang:

    Da wird gezeigt, dass bei dem vorselektierten Prüfungskollektiv (10-15% aller Fälle) zwar Fehler zuungunsten der Kasse bestehen, aber immerhin bei 3,5-8 % der Prüfungen Fehler zugunsten der Kasse bestehen.

    Da diese Fälle nicht in diesem Sinne vorselektiert sind, muss davon ausgegangen werden, dass ähnliche Raten bei allen Fällen aufzufinden wären, während die Fehlerraten zuungunsten der Kasse in dem Rest-Kollektiv (85-90 % der Fälle) vermutlich erheblich geringer wären (eben weil Sie gerade bei der EDV-gestützten Prüfungen der Kassen unauffällig waren).

    Insofern kann man vermuten, dass sich die Fehler auf beiden Seiten vermutlich gegenseitig ganz oder Teilweise aufheben.

    Es wirft ferner eine meiner Lieblingsfragen aus der Vergangenheit auf, warum wir die Fehler zugunsten der Kasse nicht erfahren.

    Gruß

    merguet

  • Schönen guten Tag allerseits,

    diese Thematik ist meines Erachtens wenig hilfreich.

    Natürlich mag es - wie in jedem Wirtschafts- und Gesellschaftsbereich - im Einzelfall strafrechtsrelevante Tatbestände geben. Dies ist jedoch letztlich weder für die Krankenkassen, noch für die Gesellschaft wirklich relevant.

    Zum Einen ist, wenn es zu einer Anzeige kommt, der Nachweis des Vorsatzes in den meisten Fällen sehr schwierig. Es ist davon auszugehen, dass die Verfahren in einem erheblichen Anteil wieder eingestellt werden müssen, was letztlich auch nur Geld verbrennt.

    Zum Anderen ist die Gesellschaft und die Krankenversicherung eher an einem \"Schadensausgleich\" ( wenn man überhaupt von Schaden sprechen kann ) interessiert, als an einer Bestrafung der Kodierungsverantwortlichen.

    Dieser finanzielle Aspekt wird genaus so wie die Prävention durch das MDK-Verfahren im Grundsatz erreicht (wobei Verbesserungen daran nicht auszuschließen sind) . Dafür braucht es die strafrechliche Diskussion und Bewertung nicht.

    Das Gutachten gibt keinen Hinweis auf eine organisierte Kriminalität im großen Stil. Wenn so etwas der Krankenkasse auffallen sollte, habe ich natürlich Verständnis für die Einschaltung der Justitzbehörden. So wie diese Thematik präsentiert und bewertet wird, habe ich jedoch den Verdacht, dass es hier um eine Kriminalisierung der Krankenhäuser geht.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    Zitat


    Original von PoltERGEIST:
    von wann ist denn das sog. GA datiert???

    Anhand der Quellenangaben kann man ablesen, dass es aktuell sein muss.

    Bsp.:
    52 Pressemitteilung der TK Hessen v. 27.4.2010

  • Hallo,
    ich habe das GA mal überflogen. Ist ja sehr interessant und aus meiner Sicht nicht ganz so pauschal die KH verunglimpfend wie befürchtet, wenn die AOK ein GA beauftragt.

    Kann sich jemand erklären, wie die Sprünge auf der letzten Seite bei den Geburtsgewichten zustande kommen?
    bei den Beatmungsstunden gibt es ja schon Hinweise, wie hier eine Beatmungsdauer von knapp > 95 Stunden zustande kommen könnte (vorsichtig formuliert). Aber ob dieser unterstellte Mechanismus bei Geburtsgewichten greift?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Moin,

    ein wenig mehr Fantasie bitte:
    [Sarkasmus an]
    Das Kind nicht vollständig auf die Waage legen, oder den Finger drunter halten....
    Wir betrügerischen KH können uns da schon irgendwie helfen [Sarkasmus aus]

    Viele Grüße

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Guten Tag,

    ich habe heute Morgen das folgende Schreiben an Prof. Kölbel geschickt und bin auf seine Antwort gespannt. Es ist inziwschen ein Punkt erreicht an dem man seine klare Meinung sagen muss, da weder DKG noch die Landeskrankenhausgesellschaften unsere Interessen ausreichend vertreten.
    MfG

    R. Doetschmann

    Sehr geehrter Herr Prof. Kölbel,

    im Folgenden werde ich sehr deutlich meine Sicht der Dinge zu Ihrem „Gutachten“ für den AOK-Bundesverband bezüglich der „Prüfung der Abrechnung von Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine kriminologische Perspektive“ darlegen. Ihr Gutachten ist so lange es die derzeitige Situation beschreibt (Punkt 1 und 2) insgesamt korrekt. Danach erkennt man allerdings sehr deutlich den Auftraggeber Ihres Gutachtens und es verliert sich sehr schnell in den Sphären des Sprichworts „Wes Brot ich fress, des Lied ich sing“. Sie verstehen es sehr gut tendenziöse Artikel aus Magazinen und Statistiken von nicht unabhängigen Institutionen wie dem MDK, als bare Münze zu verkaufen und den Krankenhäusern per se kriminelle Energien zu unterstellen. Um meine Aussage zu untermauern brauch ich nur auf Ihre Tabelle 1 des Anhangs zu verweisen. Ich kenne einige Kollegen, die sowohl an Prüfungen nach § 17c KHG oder § 275 SGB V in den aufgeführten Bundesländern teilgenommen haben. Ich selbst habe in meiner Klinik wöchentliche MDK-Prüfungen vor Ort und daher ausreichende Selbsterfahrung in diesem Bereich. Die Prozentzahlen des MDK sind per se zu hoch. Der MDK Bayern z. B hat im Jahr 2009/2010 ein neues internes Bewertungssystem eingeführt nach dem die Gutachter verpflichtet sind einzugeben ob die Anfrage erfolgreich oder nicht erfolgreich war. Dieses System ist immens komplex und wie die Gutachter selbst bestätigen nicht aussagekräftig. Bei den zum Teil mehrere Sachverhalte betreffenden Anfragen kann ein eindeutig korrekt abgerechneter Fall in diesem System dargestellt werden, als sei er fehlerhaft gewesen. Ich selbst habe in meinem Haus eine Verlustquote, die mit 19,9 Prozent weit unter der in Tabelle 1 aufgeführten Werte ist (davon 80-85% wegen Verweildauern für die das Medizincontrolling nichts kann). Bei meiner letzten Begehung des MDK hatte ich von 60 Fällen 10 Fälle verloren (16,66%). Im Programm des MDK wurde eine Negativquote zu meinen Lasten von über 40% ausgewiesen. Für mich, wie auch für jeden anderen logisch denkenden Menschen sind aber nur Fälle falsch, bei denen es zu einer Rechnungsänderung kommt (das aktuelle BSG-Urteil entlarvt sich in seiner Ausführung selbst als Farce). Wenn man die nicht erlösrelevante Änderung einer Kodierung (z.B. M79.18 in M79.28) als Fehler zu Gunsten des Krankenhauses wertet ist die eine Verdrehung der Tatsachen, da weder dem Krankenhaus ein Vorteil, noch der Krankenkasse ein Nachteil entstanden ist. In §275 SGB V steht, das eine Rechnungsprüfung zu erfolgen hat, wenn man eine Auffälligkeit auf Seite der Kassen gefunden hat. Die Krankenkassen können im Normalfall keine Auffälligkeit benennen, da ihre Prüfprogramme nicht in der Lage sind in einem Einzeldatensatz solche zu finden. Im Normalfall lautet eine Anfrage „sind alle CCL relevanten Nebendiagnosen korrekt kodiert“. Eine Diagnose ist nicht deshalb auffällig, weil sie CCL relevant ist und daher die Kasse eine höhere Rechnung erhält. Genauso wenig ist ein Fall auffällig, weil die Verweildauer im Bereich der UGVD oder über der OGVD liegt. Eines der wenigen Beispiele der letzten Jahre bei dem eine Kasse eine wirkliche Auffälligkeit angefragt hat, war die Frage nach einer ganz spezifischen Nebendiagnose. Diese war nur in unserem Aufenthalt kodiert worden, aber weder in den vorangegangenen Aufenthalten oder in den nachfolgenden Aufenthalten in anderen Häusern. Da diese Diagnose chronisch war, hätte sie bei allen Aufenthalten auftauchen müssen. Ich konnte nachweisen, dass wir korrekt kodiert und die anderen Häuser Geld verschenkt hatten. Unser eigentliches Problem im täglichen Alltag ist, dass die uns prüfende Einrichtung des MDK durch ihre einseitige Finanzierung nicht unabhängig ist. Das zeigt sich alleine schon daran, dass von den hunderten Kodiervorschlägen der SEG 4 über 90% zu Gunsten der Kassen sind. Zahlen, die aber an Wahlergebnisse in Diktaturen erinnern, können aus der Erfahrung nicht korrekt sein. Die Verrenkungen, die manche Prüfer vollbringen um Ihre Gefälligkeitsgutachten zu rechtfertigen sind teilweise grotesk und haben dazu geführt, dass wir einige Prüfer des MDK nicht mehr akzeptieren.
    Ihre Forderung den Mitarbeitern der Kassen mehr Informationen zukommen zu lassen um zielgerichteter Fragen zu können, würde zu einer enormen Ausweitung der Arbeit auf Seite der Krankenhäuser führen. Abgesehen davon ist es nicht vereinbar mit dem Gesetz. Die Krankenkassen dürfen nur Informationen erhalten, die nicht über den Umfang des §301 SGB V hinausgehen. Diese Berichte würden selbst bei Weitergabe von medizinischen Informationen nichts bewirken, da der normale Sachbearbeiter der Kassen wenig bis keine medizinischen Kenntnisse hat und es nur dazu führen würde noch mehr Ärzte einzustellen, wie es die AOK tut, um damit einen kasseninternen MDK zu unterhalten. Das einzig sinnvolle wäre, wenn die Kassen in diesem Bereich nur Mitarbeiter einstellen würden, die über medizinische Vorkenntnisse verfügen (z.B. Schwestern, die keinen Dienst am Patienten mehr leisten können oder wollen).
    Die Aussage von Kollegen des MDK, dass von den Kassen und auch den Vorgesetzten innerhalb des MDK immenser Druck ausgeübt wird, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass der MDK in seiner derzeitigen Struktur und Finanzierung nicht haltbar ist und man über eine andere Finanzierung nachdenken muss. Der MDK Bayern war in einem MDK internen Ranking an vorletzter Stelle aller MDK-„Landesverbände“ in Bezug auf die gewonnenen Prüffälle und hat diesbezüglich nun externen und internen Druck, der der bisher noch einigermaßen nachvollziehbare Objektivität und Unparteilichkeit entgegenwirkt.
    Ich stimme Ihnen zu, dass Krankenhäuser, die bewusst und nachvollziehbar Upcoden und damit Abrechnungsbetrug betreiben bestraft gehören. Um dies zu erreichen bleiben einem nur die Prüfungen nach §17c KHG. Diese werden nicht deshalb so wenig durchgeführt, weil der Aufwand für die Kassen so hoch ist. Der eigentliche Grund ist die unter Kassen herrschende Missgunst, dem Konkurrenten nichts zu gönnen. Wenn man herausbekäme, dass ein Haus in der Stichprobe x Prozent Mehrerlös durch Upcoding oder nicht rechtmäßige Überschreitung der OGVD und UGVD erhalten hat und dies dann auf das Gesamthaus hochrechnet und bei den folgenden Budgetverhandlungen berücksichtigt, dann kommt dies allen Kassen zu Gute. Das wiederum ist nicht im Interesse der einzelnen Kasse, was die niedrige Quote der §17c Prüfungen erklärt.
    Ein Satz noch zu Ihrem Diagramm 1. Dieses ist für mich nicht sehr aussagekräftig, da es nahezu einer Gaußschen Normalverteilung gleichkommt. Dass man natürlich versucht ist ein System so weit wie möglich zu seinem Vorteil zu nutzen, kann man den Beteiligten nicht vorwerfen. Wenn man dem entgegenwirken will, kann man dies nur erreichen, wenn man zum Beispiel bei der Beatmung die Intervalle kürzer wählt und damit die Erlösunterschiede verkleinert. Solange die Kliniken nachweisen können, dass die Beatmungsstunden erbracht wurden, sehe ich das Problem nicht. Eine nicht notwendige Verlängerung der Beatmung würde außerdem den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen und dies wäre mir unseren klinisch tätigen Kollegen und uns sicher nicht machbar. Ich würde Ihr Diagramm nur dann für aussagekräftig halten, wenn es so gut wie keine Beatmungen vor der Grenze von 96h gäbe und danach eine hohe Anzahl von Beatmungen mit 96-100h. Dass dies nicht so ist beweist meine Alltagserfahrung. Den Kollegen auf der Intensivstation ist es völlig egal, wo die Grenzen sind und das Medizincontrolling ist im Normalfall erst am Ende des Falles beteiligt und hat somit keine Steuerungsfunktion, die Ihr Diagramm unterstellen soll.
    Bei den Diagrammen zu den Neugeborenengewichten könnte ich Ihre Einschätzung nachvollziehen. Bei Häusern wie unserem, in dem wir versuchen wenn nötig durch Tokolyse den Geburtszeitpunkt so weit wie möglich nach hinten zu verlagern, wird es zu einer solchen Verteilung sicher nicht kommen (wird durch eine aktuelle Auswertung bestätigt). Für andere Häuser kann ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Bei manchen Häusern (v.a. Maximalversorger) wird das Thema Tokolyse scheinbar nicht so wichtig genommen, da jedes Kind unter einem bestimmten Gewicht (1250g) den Zentrumscharakter der Einrichtung unterstreicht.
    Ich hätte mir von Ihrem Gutachten gewünscht eine unabhängige Einschätzung der Situation zu erhalten. Diese Chance wurde allerdings nicht genutzt und wird nur dazu führen die Fronten zwischen den Parteien weiter zu verhärten. Unabhängig davon werden wir das eigentliche Problem der Unter- bzw. Fehlfinanzierung des Gesundheitssystems nicht lösen. Die Intention der AOK überhaupt ein Gutachten mit dieser Fragestellung zu beauftrage, sagt schon sehr viel über die Haltung der AOK gegenüber den Leistungserbringern aus. Eine Basis für eine vernünftige Zusammenarbeit wird hiermit zunichte gemacht.

    Mit freundlichen Grüßen


    Rouven Doetschmann
    Arzt und Leiter Medizincontrolling Kliniken Südostbayern AG