Neues vom BSG / LSG

  • Schönen guten Tag allerseits,

    obwohl ich die Aussagen darin für medizinisch und haftungsrechtlich bedenktlich halte, möchte ich auf ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, AZ L 5 KR 49/11 vom 23.02.2012 hinweisen. Das Urteil führt aus, dass selbst die weiterführenden Abklärunguntersuchungen (hier CT bei Verdacht auf HWK Fraktur) ambulant geführt werden muss, wenn sich keine stationär behandlungsbedürftige Diagnose daraus ergibt. Außerdem enthält es Ausführungen zur Einweisungserfordernis bei vorstationärer Behandlung.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Schönen guten Tag allerseits,

    mit dem Thema der Abgrenzung einer vorstationären zur ambulanten Behandlung beschäftigt sich auch das folgende Urteil, das nicht nur auf das vorliegen einer Einweisung, sondern auf den "medzinisch geeigneten Fall" abhebt:


    Allein die Verordnung des Vertragsarztes ausreichend sein zu lassen, um einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses auszulösen, wäre dem SGB V auch systemfremd. Grundsätzlich sind nämlich ärztliche Verordnungen und Bescheinigungen auf ihre Richtigkeit hin überprüfbar und führen nicht unkontrollierbar zu einem Leistungsanspruch. Dies gilt beispielsweise bei der Verordnung von Hilfsmitteln oder häuslicher Krankenpflege ebenso wie bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (vgl. BSG vom 24. September 2002 – B 3 KR 2/02 R). Bei der Verordnung von Krankenhausbehandlung haben zunächst die Krankenhausärzte zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung tatsächlich vorliegen. In § 39 SGB V ist dies in Bezug auf die vollstationäre Behandlung ausdrücklich geregelt. Hinsichtlich der vorstationären Behandlung gilt schon im eigenen Interesse des Krankenhauses nichts anderes, weil das Krankenhaus spätestens, wenn es zum Streit über die Vergütung kommt, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch für diese Behandlung als Anspruchssteller beweisen muss.

    Dass der Gesetzgeber die Missbrauchsgefahr gesehen, sie aber nicht in Kauf nehmen wollte, verdeutlicht § 115 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V. Kommen jedoch keine Verträge zur Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeit und Verhinderung von Missbrauch zu Stande, ist es Aufgabe der Gerichte, für eine Auslegung der Norm zu sorgen, die Missbrauch verhindert. Die Festlegung der Anforderungen, die an die Krankenhausärzte bei der Prüfung, ob ein "medizinisch geeigneter Fall" vorliegt, zu stellen sind, muss dabei berücksichtigen, dass die Abgrenzung von ambulanter, vorstationärer und vollstationärer Behandlung im konkreten Einzelfall vielfach schwierig ist und die Krankenhausärzte bei ihren Entscheidungen einem zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiko ausgesetzt sind.

    Es muss daher ein Prüfungsmaßstab für die Krankenhausärzte gefunden werden, der diese einerseits nicht überfordert, der aber andererseits Missbrauch verhindert und dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung trägt. Grundlage der Prüfung des medizinisch geeigneten Falles ist, wie § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB V verdeutlicht, der Grad der Möglichkeit einer vollstationären Behandlung. Welcher Grad maßgeblich ist, lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Die Kategorien "sicher" und "möglich" scheiden dabei von vornherein aus. Würde eine vollstationäre Behandlung wie in der 2. Alternative (Vorbereitung einer vollstationären Krankenhausbehandlung) aus Sicht des Krankenhausarztes "sicher" folgen, bedürfte es keiner vorstationären Behandlung, die Alternative 1 liefe leer. Dass eine Untersuchung möglicherweise zu einer anschließenden vollstationären Krankenhausbehandlung führt, ist abstrakt nie auszuschließen, also immer zumindest "möglich". Eine Wahrscheinlichkeit der stationären Behandlung ist nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht zu fordern. Wahrscheinlich ist etwas, wenn mehr dafür als dagegen spricht. Dies würde insbesondere in Grenzfällen den Krankenhausärzten eine kaum leistbare Abwägungsentscheidung abfordern. Den Vergütungsanspruch für eine vorstationäre Behandlung auf die Fälle zu reduzieren, in denen eine anschließende vollstationäre Behandlung wahrscheinlich ist, ist auch mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 115a SGB V nicht vereinbar, weil die vorstationäre Krankenhausbehandlung die Erforderlichkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung ja erst abklären soll. Wenn von vornherein nur die Fälle erfasst würden, in denen mehr für als gegen eine anschließende vollstationäre Krankenhausbehandlung spricht, würde die Norm weitgehend ihren Sinn verlieren. Da die vorstationäre Behandlung aus oben genannten Gründen nicht losgelöst von der vollstationären Behandlung gesehen werden kann, muss aber die gute Möglichkeit bestehen, dass die vorstationäre Krankenhausbehandlung in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung mündet, d. h. diese muss konkret und ernsthaft im Raume stehen. Dem Gesetzeszweck (Kostenersparnis, Wirtschaftlichkeitsgebot, Verhinderung von Missbrauch) wird dadurch angemessen Rechnung getragen, in dem das Krankenhaus in diesen Fällen einen Anspruch auf Vergütung nach § 115a SGB V auch dann hat, wenn es anschließend nicht zu einer vollstationären Krankenhausbehandlung kommt, wohingegen bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung durch die Krankenhausärzte nach § 39 SGB V in dieser Konstellation kein Vergütungsanspruch gegeben wäre.

    [...]

    Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Der Abgrenzung zu ambulanter, vorstationärer und vollstationärer Behandlung kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

    Ich bin mal gespannt, welche Kriterien das BSG dann für diese Abgrenzung aufstellt!

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Guten Morgen allerseits,

    eine sehr interessante Entscheidung, wie ich finde. Ich verstehe das Dilemma, in dem das Gericht steckt und bin genauso wie Hr. Schaffert gespannt auf die Auslegung des BSG, insbesondere darauf, ob sich eine praxistaugliche Lösung daraus entwickelt. ?(

    Viele Grüße

    Michael Bauer :)
    Krankenkassenbetriebswirt

  • Schönen guten Tag allerseits,

    ich möchte auf die folgenden anstehenden Entscheidungen des 3. Senats des BSG hinweisen:

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

    • Offizieller Beitrag

    Rechnungskürzung bei Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer
    http://www.roos-nelskamp.de/news/detail/ar…rweildauer.html

  • Terminbericht Nr. 27/12 (zur Terminvorschau Nr. 27/12)

    Der 3. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 16. Mai 2012 wie folgt:


    1) Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.

    Eine kardiorespiratorische Polysomnographie ist nach der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung" regelmäßig ambulant und nur im Ausnahmefall stationär durchzuführen - ein solcher lag hier nach den übereinstimmenden und nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor. Die stationäre Krankenhausbehandlung war deshalb nicht notwendig iS von § 39 SGB V und konnte keinen Zahlungsanspruch des Krankenhauses auslösen. An dieser rechtlichen Bewertung ist der Senat - entgegen der Ansicht des LSG - nicht durch die Regelung des § 275 Abs 1c SGB V gehindert. Zwar stellt die in Satz 2 der Vorschrift genannte Sechs-Wochen-Frist eine Ausschlussfrist dar (vgl BT-Drucks 16/3100 S. 171), die auch im sozialgerichtlichen Verfahren beachtlich ist und den Amtsermittlungsgrundsatz einschränkt; sie sperrt sogar die Verwertung dazu im Widerstreit erlangter Beweisergebnisse. § 275 Abs 1c SGB V gilt aber nur in Verfahren, in denen die Krankenkasse eine medizinische Sachverhaltsprüfung gemäß § 276 Abs 2 Satz 1 SGB V durch den MDK veranlasst hat (3. Prüfungsstufe, vgl Urteil des Senats vom 22.4.2009 - B 3 KR 24/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 16). Dies war hier nicht der Fall; die Beklagte hatte keine medizinische Überprüfung des Sachverhalts durch den MDK ( § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V) in Auftrag gegeben, sondern von vornherein - ausgehend von den Angaben der Klägeri - die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung in Zweifel gezogen. Im Übrigen wäre die Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V auch nur dann in Gang gesetzt worden, wenn das Krankenhaus seinerseits - "Prinzip der Waffengleichheit" - seine rechtlichen Verpflichtungen der Krankenkasse gegenüber erfüllt hätte. Dies ist vorliegend nicht geschehen; da es sich um eine regelmäßig ambulant zu erbringende Leistung handelt, hätte die Klägerin im Rahmen der Meldung nach § 301 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V (1. Prüfungsstufe, vgl Urteil des Senats vom 22.4.2009 aaO) konkret den "Grund der Aufnahme" bezeichnen müssen, warum hier also ausnahmsweise eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich ist. Nur so wäre es der Krankenkasse möglich gewesen festzustellen, ob ihre Eintrittspflicht gegeben ist oder nicht.

    SG Braunschweig - S 40 KR 532/07 -
    LSG Niedersachsen-Bremen - L 1 KR 501/10 -
    Bundessozialgericht - B 3 KR 14/11 R -


    2) Der Senat hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

    Zu Recht verlangt die Klägerin von der Krankenkasse die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro gemäß § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V idF des GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I S 378 ). Die Voraussetzungen des Zahlungstatbestandes sind erfüllt: Es wurde eine notwendige stationäre Krankenhausbehandlung durchgeführt, deren Überprüfung durch den MDK ( § 275 Abs 1 Nr 1, § 276 Abs 2 Satz 1, Abs 4 SGB V) bei der Klägerin zu einem Aufwand und nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat. Die Tatsache, dass es sich um eine mehrwöchige Krankenhausbehandlung gehandelt hat und zum Zeitpunkt der MDK-Prüfung noch keine Schlussrechnung erstellt war, ist unerheblich. Denn schon nach Zugang einer Zwischenrechnung ( § 8 Abs 7 Satz 2 KHEntgG) wird vermutet, dass eine danach erfolgte Beauftragung des MDK in aller Regel zur Abrechnungsprüfung dient. Dies gilt aber nur dann, wenn das Krankenhaus seinerseits alle gegenüber der Krankenkasse bestehenden Rechtspflichten erfüllt, insbesondere die Aufnahmeanzeige rechtzeitig und vollständig übermittelt. Davon unberührt bleibt das Recht der Krankenkasse, den MDK auch schon vor Eingang einer (Zwischen-)Rechnung des Krankenhauses mit einer medizinischen Überprüfung zu beauftragen - etwa zur Frage der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung.

    SG Koblenz - S 6 KR 495/08 -
    LSG Rheinland-Pfalz - L 5 KR 189/10 -
    Bundessozialgericht - B 3 KR 12/11 R -


    3) Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

    Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf Zustimmung zum Abschluss eines Versorgungsvertrages gemäß § 109 SGB V besteht, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Zur Prüfung der hier insbesondere streitigen Frage, ob ein Krankenhaus zur bedarfsgerechten Versorgung der GKV-Versicherten erforderlich ist, haben die Instanzgerichte gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG eigene tatbestandliche Feststellungen zu treffen; dem Krankenhausplan kommt insoweit - entgegen der Rechtsauffassung des LSG - keine Tatbestands- und Bindungswirkung zu. Erst Recht sind weder die Krankenkassen noch die Sozialgerichte an die Entscheidungsgründe eines Feststellungsbescheides gebunden. Da das LSG - aus seiner Sicht folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen und sich auch nicht hilfsweise die Ergebnisse der umfangreichen sozialgerichtlichen Recherchen zu eigen gemacht hat, konnte der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden. Das LSG wird deshalb - neben weiteren offenen Fragen zum Sachverhalt - zur Bedarfslage zu prüfen haben, welcher Zeitpunkt für deren Beurteilung maßgeblich ist und wie der fachliche Vergleichs- sowie der räumliche Einzugsbereich festzulegen sind.

    SG Karlsruhe - S 5 KR 1297/07 -
    LSG Baden-Württemberg - L 11 KR 337/10 -
    Bundessozialgericht - B 3 KR 9/11 R -


    http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2012&nr=12482

  • Schönen guten Tag allerseits,

    § 275 Abs 1c SGB V gilt aber nur in Verfahren, in denen die Krankenkasse eine medizinische Sachverhaltsprüfung gemäß § 276 Abs 2 Satz 1 SGB V durch den MDK veranlasst hat (3. Prüfungsstufe, vgl Urteil des Senats vom 22.4.2009 - B 3 KR 24/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 16). Dies war hier nicht der Fall; die Beklagte hatte keine medizinische Überprüfung des Sachverhalts durch den MDK ( § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V) in Auftrag gegeben, sondern von vornherein - ausgehend von den Angaben der Klägeri - die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung in Zweifel gezogen.

    Sehr bedenklich! Das könnte interpretiert werden als: Wenn die Krankenkasse bei medizinischen Fragestellungen wie der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung gar keinen MDK einschaltet, dann gilt auch keine Frist. Ich hoffe, die schriftliche Urteilsbegründung geht hier noch genauer darauf ein.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Guten Morgen Herr Schaffert,

    sehe ich auch so ...

    Man kann zwar behaupten, dass diese Aussage höchstens für die Maßnahmen aus der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung" gedacht war.

    Aber was ist mit AOP-Katalog? "In der Regel ambulant?" Hmm. Es würde mich nicht wundern, wenn die Ablehnungen demnächst ohne Einschaltung des MDK auch in diesem Bereich kommen.

    Gruß
    GenS

  • Guten Tag,

    so ähnlich hatte ich es im Hinterkopf gespeichert. Wenn es sich um eine Kat.1 AOP handelt, entsteht eine Beweislastumkehr zu ungunsten des Krankenhauses.

    Kat. 1-OPS sind grds. ambulant durchzuführen. Eine im Einzelfall notwendige stat. KHB ist demnach dem Kostenträger zu beweisen. Gab es schon vor einiger Zeit Ausarbeitungen zu. Leider finde ich diese im Moment nicht.

    Bei Kat.2 und 3 ist dann allerdings der KT in der Pflicht den Beweis zu führen (inkl. der Regelungen § 275 V)

    Viele Grüße und einen entspannten Resttag vom
    Rheinkilometer 660

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    ... und wenn dann medizinische Informationen direkt an den Kostenträger geliefert werden müssen (Erläuterungen zur medizinischen Notwendigkeit der stat. Behandlung), sind wir inhaltlich bei diesem Thread gelandet:
    Direktprüfung ohne MDK