Nahrungsverweigerung beim Säugling bzw. kleinkind

  • Guten Morgen liebes Forum,
    ich habe eine Frage in Bezug auf die R63.3 (Ernährungsprobleme und unsachgemäße Ernährung)
    Ich arbeite in einer Kinderklinik. Bei uns werden viele Kinder, die eine Gastroenteritis haben wegen Nahrungsverweigerung aufgenommen und parenteral behandelt. Die Kasse (bwz. der MDK) argumentiert, das die Grunderkrankung bereits die Nahrungsverweigerung beinhaltet und der Kode R63.3 (der zum Teil auch CC relevant ist) nicht zusätzlich koidert werden darf.
    Gibt es da Richtlinien wann man ihn verwenden darf?
    Vorab mal vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage.

    Grüßle Silvia

  • Hallo,
    das Problem ist auch in unserer Kinderklinik bekannt und auch wir haben noch einige offene MDK-Fälle. Bei der Kodierung richten wir uns nach der Stellungnahme der GKIND: :baby:

    Zitat

    Stellungnahme zu Kodierproblemen
    Nebendiagnose Nahrungsverweigerung (ICD10 R63.3) bei Gastroenteritis:

    Bei einer Gastroenteritis ist als HD die Gastroenteritis (z.B. ICD 10 A09) zu kodieren. Als Nebendiagnose ist laut DKR definiert: ...
    Im Falle der Gastroenteritis bedeutet die Nahrungsverweigerung stets eine besondere Überwachung des Flüssigkeitshaushaltes sowie eine Flüssigkeits- bzw. Volumengabe über Magensonde, meist jedoch über Dauerinfusion. In der Pädiatrie spielt die Nahrungsverweigerung deshalb eine besondere Rolle, weil schon wenige Stunden ausreichen, um kritische Flüssigkeitsmangelzustände zu erzeugen, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Dieses hat die Arbeitsgruppe DRG der pädiatrischen Fachverbände zum Anlaß genommen, um die Nahrungsverweigerung wie folgt zu definieren: Bei Säuglingen und Kleinkindern über 12 Stunden, bei älteren Kindern über 24 Stunden.
    Die Ziffer R63.3 ist somit im Rahmen einer Gastroenteritis als Erschwernis bzw. Komplikation zu bezeichnen und somit auch zu kodieren, weil sie die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie den Überwachungsbedarf des Patienten beeinflusst.
    Desweiteren sind bei dieser Diagnose Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes, Azidose, Hyper- bzw. Hyponatriämie bzw. Hypokaliämie zu kodieren, wenn sie vorliegen. Hierbei gelten jeweils die altersabhängigen Normwerte, für die es klare Definitionen gibt.
    Auch hier ergibt sich eine entsprechende diagnostische und therapeutische Konsequenz (Zusatz von Elektrolyten, Kontrolle der Werte durch erneute Blutabnahme bzw. evtl. sogar die Konsequenz einer erhöhten Überwachung wie z.B. die Monitorüberwachung bei einer Hypo- oder Hyperkaliämie (Cave Rhythmusstörungen).

    Ggf. können Sie die Stellungnahme ja im Dialog mit MDK und KK verwenden. :deal:

    Viele Grüße,
    Andreas Bongartz

  • Hallo,

    die Kodierempfehlung Nr. 11 der konsentierten Kodierempfehlungen des MDK (hier zu finden) beschäftigt sich mit genau dieser Frage:

    Die Stellungnahme der GKind dürfte daher wenig Einfluss auf die Begutachtungspraxis haben, auch wenn die Argumentation medizinisch nachvollziehbar ist.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Markus Hollerbach

  • Aber Hallo!

    Die konsentierten Kodierempfehlungen des MDK kannte ich bisher noch gar nicht (wurden auch erst vorgestern veröffentlicht).


    Da hat sich der MDK aber viel vorgenommen:

    Zitat


    Ziel dieser Kodierempfehlungen ist eine bundesweit einheitliche Kodierung.

    und dazu noch \"konsentiert\"! Wow! Fragt sich nur, mit wem...

    Zitat


    Die Kodierempfehlungen stellen in der Regel das konsentierte Ergebnis eines fortlaufenden Diskussions- und Abstimmungsprozesses innerhalb der MDK-Gemeinschaft dar.

    Aha.

    Nach erstem Überfliegen der neuen \"Kodierempfehlungen\" dominieren \"Empfehlungen\", die ohnehin den DKR zu entnehmen sind.

    Zitat


    Sprechen Krankheitsverlauf (z. B. langjähriger insulinpflichtiger Diabetes) und Manifestationen (z. B. periphere Mikroangiopathie) dafür, dass der Diabetes ursächlich für die Gefäßproblematik ist, sind solche Sachverhalte über E.- zu kodieren.


    wussten wir auch vorher schon.

    Auf der anderen Seite werden einige Fragen angegangen, die hier im Forum schon häufig diskutiert wurden und für die es keine verbindliche Antwort gibt, z.B. was ist ein Harnwegsinfekt oder wann ist ein DM entgleist:

    Hier lehnt sich der MDK weit aus dem Fenster; wenn es allgemeingültige Kriterien der DM-Entgleisung gäbe, so wären diese im ICD-Verzeichnis definiert. Der MDK gibt (mit einer Ausnahme: Definition der \"Abmagerung\" aus dem Pschyrembel :totlach: (welche Auflage ? ) ) keinerlei Quellen für seine Empfehlungen an. Evidenz ist was anderes...

    ... und ich bin mir sicher, dass dies nicht das letzte Posting zum Thema war.


    Schönes Wochenende!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo zusammen!

    Nach erstem Überfliegen der \"Kodierempfehlungen\" des MDK möchte ich mich als Pädiater doch noch mal zu dieser Problematik zu Wort melden. Mir scheint, dass die Empfehlungen des MDK genauso selbstgestrickt und kaum rechtsverbindlich sind wie der Kodierleitfaden der G-KIND es sein kann. Hinter letzterem steht aber immerhin die Fachkompetenz der entsprechenden wissenschaftlichen pädiatrischen Fachgesellschaften...

    Rein medizinisch gesehen ist die Gastroenteritis im Kindesalter aber m. E. gerade eben nicht regelhaft mit einer Nahrungsverweigerung vergesellschaftet, sondern wird gerade als Therapie der Wahl mit einer oralen Rehydrierung behandelt. Gerade wenn dies in Einzelfällen mal nicht funktioniert resultiert daraus eine erweiterte Behandlung in Form von Sondierung oder intravenöser Flüssigkeitssubstitution, die einen besonderen und erhöhten Aufwand, wie in den Kodierrichtlinien gefordert, darstellt!

    Natürlich reicht ein einmaliges Erbrechen oder Verweigerung der Flüssigkeits aufnahme hierzu nicht aus. Daher ist von der G-KIND ja auch eine einigermaßen nachvollziehbare und vernünftige Regelung über die Zeitdauer der Nahrungsverweigerung vorgeschlagen worden. Ich werde jedenfalls weiterhin entsprechend Kodieren!

    Aus dem nasskalten Ostwestfalen

    grüßt H. Staender :baby:
    Oberarzt Pädiatrie

  • Hallo,

    auf die Gefahr hin, dass ich mich als DRG-pädiatrisch unwissend oute :rotwerd: - könnte jemand mal bitte die URL für die Kodierermpfehlungen der GKind posten ?

    Danke im Voraus.

    Schneenasskalte Grüße aus Greifswald.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • aus aktuellem Anlass (MDK- Gutachten gleichen Wortlauts wie oben im Thread): die Krankenhäuser sollten sich streng auf die Inhalte der offiziellen Druckwerke (ICD/OPS und DKR) berufen und nicht indirekt die Erschaffung neuer Kodierrichtlinien durch die Kostenträgerseite unterstützen. Die Kodierung der R63.3 als besondere Komplikation einer Gastroenteritis (z.B. A09) wird an keiner Stelle des ICD bzw. DKR -Werkes ausgeschlossen. Wenn wir hier andere Fachleute zu Rate ziehen, dann sollten das die Fachleute der jeweiligen Fachgesellschaften sein (in diesem Fall z.B. GKind; hier Version 2006, Seite 41)und keinesfalls \"Konsensgremien\" der MDK\'s (auch wenn die Fallbesprechungen dort ganz interessant zu lesen sind).
    In diesem Sinne Grüße aus dem verschneiten Stolberg. :biggrin:

    J. Frings
    Medizincontrolling
    Bethlehem-Krankenhaus Stolberg