Gesunde Neugeborene als Begleitperson bei Sectio-Müttern

  • Liebe Forum-Mitstreiter,

    wir haben in dem Streitpunkt \"gesundes Neugeborenes als Begleitperson bei länger liegender Mutter\" in Berlin einen außergerichtlichen Erfolg erzielt.
    Die Kasse hat auf ein böses Aufforderungsschreiben die Abrechnung des Krankenhauses anerkannt, man sehe \"aufgrund des hohen Prozessrisikos von einem Klageverfahren ab\".

    Man sollte also ruhig mit einem Prozeß drohen. Die Kassen werden sicher kein Präzedenzurteil ergehen lassen wollen.

    Für weitere Infos stehen wir gerne zur Verfügung.

    Gruß

    Attorney

    Rechtsanwältin

  • Hallo Attorney,

    Zitat


    Original von Attorney:
    Man sollte also ruhig mit einem Prozeß drohen. Die Kassen werden sicher kein Präzedenzurteil ergehen lassen wollen.

    naja, logisch ist das aber nicht...

    Wenn Kassen die Rechnungen bisher in voller Höhe gegen sich gelten lassen, gehen sie doch kein großes Risiko ein, wenn Sie ein Urteil bekommen, das diese Abrechnungspraxis bestätigt. Ich persönlich sehe da das erheblich größere Risiko bei den Krankenhäusern, die eben diese bisher erzielten Erlöse verlieren könnten.

    Aber letztlich sollte das jede Kasse wie auch jedes Krankenhaus für sich selbst entscheiden. Denn Prozesskostenhilfe wird man bei Ihnen sicher nicht beantragen können, nur weil man Ihren Rat der Klageandrohung befolgt hat und deshalb plötzlich einen kostspieligen Prozess führt!???

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo zusammen!
    Hat man uns doch erhört und hilft uns Folgendes bei unseren Problemen.
    Im GKV-WSG (in der Bundesrat Drucksache 75/07 vom 02.02.2007) steht im Artikel 11 \"Änderung der Reichsversicherungsverordnung\":
    „In §197 werden nach dem Wort „Verpflegung“ das Komma und die Wörter „für die Zeit nach der Entbindung jedoch längstens für sechs Tage“ gestrichen.
    Ich sehe das als Lösung an, bin aber gespannt auf die Meinungen des Forums.
    Viele Grüße!

  • Hallo Forum,

    in der Tat hat der Gesetzgeber erkannt, dass die bisherige Regelung der RVO . Die lange fällige Änderung beruht auf einem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum GKV-WSG und wurde mit folgender Begründung versehen:

    \"Die zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf sechs Tage nach der Entbindung wurde seinerzeit eingeführt, um bei einer tagesbezogenen Vergütung den Anreizen zu einer längeren Verweildauer im Krankenhaus entgegenzuwirken. Mit der Einführung der Fallpauschalen-Vergütung für Geburten im Jahr 1995 wurde eine Vergütungsform eingeführt, die grundsätzlich unabhängig von der Verweildauer ist und somit keinen Anreiz zu längeren Verweildauern mehr enthält. Das Krankenhaus achtet bereits im Eigeninteresse auf möglichst kurze Verweildauern. Deshalb kann die zeitliche Befristung in § 197 gestrichen werden.

    Die Regelung führte in der Vergangenheit zudem zu Schwierigkeiten in Fällen, in denen gesunde Neugeborene noch im Krankenhaus verbleiben mussten, weil die Mutter nach der Entbindung noch behandlungsbedürftig war und noch nicht entlassen werden konnte. Soweit die Grenzverweildauer der Fallpauschale für das Neugeborene überschritten wird, muss eine
    sachgerechte Vergütung für die weitere Versorgung des Neugeborenen in Form der Abrechnung zusätzlicher Tagessätze nach den Vorgaben des DRG-Fallpauschalenkatalogs möglich sein (Entgelte bei Überschreitung der oberen Grenzverweildauer). Die Abrechnung dieser Entgelte wurde bisher unter Hinweis auf die Sechstagesfrist in § 197 von einigen Krankenkassen in Frage gestellt. Auch die zum Teil statt dessen angebotene Abrechnung des Entgelts für die Mitaufnahme einer Begleitperson kann kein Ersatz für eine sachgerechte Vergütung der Neugeborenenversorgung sein. Die Streichung der Frist ermöglicht eine unstrittige Vergütung entsprechend der Systematik des DRG-Fallpauschalensystems. Eine Ausweitung der Verweildauer im Krankenhaus und eine relevante Ausgabenerhöhung für die
    gesetzliche Krankenversicherung sind nicht zu erwarten.\"

    Aus Rheinland-Pfalz wurde jüngst berichtet, dass das Sozialgericht Koblenz am 22.02.2007 in dieser Angelegenheit krankenhausfreundlich entschieden hat (medinfoweb-Meldung). Dabei hat sich das Gericht in seiner mündlichen Urteilsbegründung u. a. an der o. a. Begründung zur Änderung der RVO orientiert. Das Urteil ist daher für alle betroffenen Krankenhäuser als Argumentationshilfe von besonderer Bedeutung. Es ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da die Sprungrevision zum Bundessozialgericht ausdrücklich zugelassen wurde und davon auszugehen ist, dass die unterlegene Krankenkasse gegen dieses Urteil Rechtsmittel einlegen wird.

    Mit der beschlossenen Änderung der RVO wird endlich ein eindeutiger Leistungsanspruch für die stationäre Versorgung des Neugeborenen vorgegeben, solange die Mutter wegen bestehender eigener Behandlungsbedürftigkeit im Krankenhaus verbleibt. Eine Verweigerung der Abrechnung der Zuschläge bei Überschreitung der oGVD bei gesunden Neugeborenen mit Hinweis auf die fehlende gesetzliche Anspruchsgrundlage ist damit zukünftig nicht mehr haltbar. Sofern das Urteil aus Koblenz Rechtskraft erlangt, wäre auch für die entsprechenden Fälle aus der Vergangenheit Rechtssicherheit gegeben. Darüber wird von einem weiteren, ebenfalls krankenhausfreundliches Urteil aus Hamburg berichtet, zu dem aber noch keine weiteren Informationen vorliegen.

    [arial]Freundliche Grüße
    DRG-Fan[/arial]

  • Hallo,

    so klare Regelungen bzw. Begründungen sind so selten wie wünschenswert. Auch wenn ich es bei der bisher unklareren Rechtslage auch anders interpretiert habe, wissen jetzt alle Seiten, wo sie dran sind. Wäre das GKV-WSG doch in allen Punkten so schlüssig...

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo liebe Forumbesucher!
    Ich habe aktuell einen MDK-Fall vorliegen, in dem das Problem gerade andersherum ist: Das Neugeborene ist krank, und bei der Mutter soll nun der letzte Tag des (geburtshilfichen) Aufenthalts gekürzt werden.
    Gibt es eine Regelung, die hier greift oder lässt sich der Aufenthalt der Mutter nur mit medizinischen Argumenten durchbringen?
    Vielen Dank für eure Hilfe!

  • Hallo ME,

    eine Abrechnung nur als Begleitpersonkommt m. E. deshalb nicht infrage, weil die junge Mutter doch wahrscheinlich von Ihrer Hebamme weiterbetreut wurde.

    Mit freundlichen Grüßen

    Claudia Mertens

  • Hallo Forum,
    meiner Meinung nach ist die stationäre Behandlungsbedürftigkeit der Mutter unabhängig vom Neugeborenen zu betrachten. Solange Entbindungsanstaltspflege notwendig ist, ist diese zu gewähren, wenn sie nicht mehr erforderlich ist und die Mutter nur wegen dem erkrankten Neugeborenen stationär verbleibt, sind Zuschläge wegen einer Begleitperson abzurechnen.

    Viele Grüße

    Michael Bauer :)
    Krankenkassenbetriebswirt

  • Hallo Frau Merten und Herr Bauer,

    vielen Dank für die Tipps!
    Leider ist es in diesem Fall so, dass weder das Argument mit der Betreuung durch Ärzte (Z. n. Sectio und zusätzlich Anämie), noch durch die Hebamme, noch das Stillen des Neugeborenen für den MDK zählen.
    Deshalb suche ich nach einer Möglichkeit wie z. B. eine entsprechende BWKG-Mitteilung oder ein Urteil.
    Ich möchte nicht ungerechtfertigt an der Verweildauer festhalten, aber dieser FAll erscheint mir nicht ganz ok.

  • Hallo ME,

    vielleicht hilft auch noch ein Blick ins Gesetz (§ 197 RVO):

    (1) Der Anspruch beginnt mit dem Tag, an dem die Versicherte in ein Krankenhaus oder in eine andere Einrichtung zum Zwecke der Entbindung aufgenommen wird, also unter Umständen bereits einige Tage vor der Entbindung. Der Charakter der Leistung ändert sich nicht dadurch, dass die Frau vor der Entbindung wieder aus der stationären Einrichtung entlassen wird.
    [mark=chocolate](2) Die Leistungsdauer nach der Entbindung ist nicht begrenzt. Sie endet daher erst mit der Entlassung aus der stationären Einrichtung.[/mark]
    (3) Treten bei einer ambulanten Entbindung oder einer Entbindung in einer anderen stationären Vertragseinrichtung Komplikationen auf, sodass es zur Aufnahme in ein Krankenhaus kommt, handelt es sich auch bei der Behandlung im Krankenhaus in analoger Anwendung der Regelung nach § 197 Satz 2 RVO bzw. § 24 Satz 2 KVLG um eine “stationäre Entbindung”.

    Viele Grüße

    Michael Bauer :)
    Krankenkassenbetriebswirt

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von ME:
    Hallo liebe Forumbesucher!
    Ich habe aktuell einen MDK-Fall vorliegen, in dem das Problem gerade andersherum ist: Das Neugeborene ist krank, und bei der Mutter soll nun der letzte Tag des (geburtshilfichen) Aufenthalts gekürzt werden.

    Hallo,

    deswegen wäre es besser gewesen, dies hier weiter zu diskutieren:
    http://mydrg.de.dedi694.your-server.de/apboard/thread…unde%20Mutter#0

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau