MDK streicht I26.9

  • Hallo Allerseits,

    ich habe folgenden Fall auf meinem Tisch: Pat. mit TEP-Implantation, intraop. kommt es nach Einbringen von Pallacos (Zement) zu einem akuten Abfall der Sauerstoffsättigung, der von unseren Ärzten als Lungenembolie durch Einschwemmung von intramedullärem FEtt und Knochenmark interpretiert und kodiert wurde. Verlegung der Pat. auf ITV zur Überwachung, im EKG aufgrund des O2-Abfalls kurzfristige Innenschichtischämie.
    Auf ITV keine weitere radiologische Diagnostik, keine zusätzliche medikamentöse Therapie, 1-malige EKG-Kontrolle.

    Der MDK streicht nun in seinem GA die I26.9 mit dem Argument, die Kreislaufreaktion und die Innenschichtischämie wären bei vorbestehender KHK mit der ND I25.9 ausreichend kodiert. Da keine radiologische Diagnostik erfolgte, wäre die I26.9 nicht zu kodieren.

    Hat der MDK hier Recht?

    Gruß, Abbey

  • Tag Abbey,
    Innenschichtischämie? Troponin-T bestimmt? das \"Troponin-T-positive akute Koronarsyndrom\" ist im Sinne eines NSTEMI ein Infarkt und wird dann mit I21.4 kodiert - auch neben der KHK. Notfalls Internisten fragen :)

    Akutes Koronarsyndrom 1

    Akutes Koronarsyndrom 2

    Außerdem: Wenn der V.a. eine Embolie bestand, letztlich nicht ausgeräumt und entsprechend behandelt wurde, lässt sich dass doch eigentlich regelkonform kodieren.


    MfG und viel Glück

    [center][hr]Ekhard Wille
    MedCo
    FEK Neumünster GmbH[/center]

  • Hallo Abbey und Controlletti,

    es geht hier aber eher nicht um einen NSTEMI (= Herzinfarkt) als um eine Lungenembolie. Darum eher mal schauen ob die d-Dimere erhöht waren. Aber grundsätzlich zählt auch hier: bei Vorliegen einer Verdachtsdiagnose ohne Aussschluss dieser, kann bei erfolgter Therapie die Verdachtsdiagnose kodiert werden.

    Gruß
    Jannis

  • Hallo Janis,

    hatte das nur so verstanden (...kurzfristige Innenschichtischämie).
    Aber wie gesagt: lieber Internisten fragen.
    :erschreck:

    [center][hr]Ekhard Wille
    MedCo
    FEK Neumünster GmbH[/center]

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Aber grundsätzlich zählt auch hier: bei Vorliegen einer Verdachtsdiagnose ohne Aussschluss dieser, kann bei erfolgter Therapie die Verdachtsdiagnose kodiert werden.

    Guten Morgen,

    welche Therapie wurde denn hier gemacht? Überwachung ist für mich keine Therapie.
    Womit ich zum x-mal wünsche, dass eine entsprechende Formulierung in die DKR Einzug erhält, die klarstellt, ob Überwachung hier ebenfalls ausreicht (oder eben nicht).

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Zitat


    Original von Selter:
    Überwachung ist für mich keine Therapie.

    Nein, aber sie kann einen eigenen Aufwand darstellen.
    Dies ist z.B. der Fall, wenn der Patient ungeplant einer Intensiv- oder einer Intermediate Care-Überwachung zugeführt wird.

    Ich glaube, dass man hier differenzieren muss zwischen einer kurzfristig kristischen Situation einerseits und einer Überwachung andererseits, die objektiv den Standardaufwand übersteigt (dies muss mit dem MDK diskutiert werden) bzw. zu einer begründeten Verlängerung des stationären Aufenthalts führt.

    In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass viele Kodierungen ja mittlerweile nicht mehr zur Erlössteigerung genutzt werden, sondern genau diesem Anliegen dienen sollen, eine Verweildauer zu begründen. Leider wird durch diese Aufblähung nur die Position abgesteckt, aber keine einzige Verweildauerprüfung verhindert. Von einer Nachbesserung der DKR würde verspreche ich mir nicht sehr viel, die Änderung muss in den Köpfen stattfinden.

    Gruß murx

  • Zitat


    Original von murx:

    Von einer Nachbesserung der DKR (...) verspreche ich mir nicht sehr vielGruß murx

    Tag murx.

    sehe das ähnlich wie Herr Selter. Ist doch ein typischer Streitfall und ständige Diskussion mit dem MDK: wir betreiben hohen Aufwand aufgrund eines am Ende weder bestätigten noch ausgeschlossenen Verdachtes und der MDK verweist auf DKR D008b:

    \"Wenn Untersuchungen vorgenommen, aber keine Behandlung in Bezug auf die Verdachtsdiagnose eingeleitet wurde, ist/sind das/die Symptom/e zu kodieren (...) Wenn eine Behandlung eingeleitet wurde und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig waren, ist die Verdachtsdiagnose zu kodieren.\"

    Die Frage \"wieso? Sie haben doch blos überwacht und untersucht. Wie haben Sie denn die verdächtigte Diagnose behandelt?\" ist doch berechtigt.

    Natürlich soll es eigentlich um den Aufwand gehen - wie immer. Aber wie immer zählt im Zweifelsfall das gedruckte Wort.

    Eine Klarstellung in den DKR wäre meiner Meinung nach mehr als hilfreich.

    Gruß

    [center][hr]Ekhard Wille
    MedCo
    FEK Neumünster GmbH[/center]

  • Hallo,
    mal ne ganz dumme Frage- ist an der Antikoagulation nicht verändert worden bei dem V.a. Lungenembolie?- als Prophylaxe eines Appositionsthrombus oder war die Angst vor der Einblutung größer bei der geringen Ausprägung der Symptome?

    Grüße

    Uwe Neiser


    • Offizieller Beitrag

    Auch Ihnen einen schönen guten Tag, murx,

    Zitat


    Original von murx:
    Nein, aber sie kann einen eigenen Aufwand darstellen.
    Dies ist z.B. der Fall, wenn der Patient ungeplant einer Intensiv- oder einer Intermediate Care-Überwachung zugeführt wird.

    Spielt keine Rolle. Nicht Aufwand im Allgemeinen ist hier gefragt, sondern explizit Therapie.

    Zitat


    Original von murx:Ich glaube, dass man hier differenzieren muss zwischen einer kurzfristig kristischen Situation einerseits und einer Überwachung andererseits, die objektiv den Standardaufwand übersteigt (dies muss mit dem MDK diskutiert werden) bzw. zu einer begründeten Verlängerung des stationären Aufenthalts führt.

    S.o., wenn Therapie, dann ja.

    Zitat


    Original von murx:In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass viele Kodierungen ja mittlerweile nicht mehr zur Erlössteigerung genutzt werden, sondern genau diesem Anliegen dienen sollen, eine Verweildauer zu begründen.

    Hier wird ja wohl etwas komplett falsch verstanden. Die Kodierung ist weder zur Erlössteigerung noch zur Verweildauererläuterung vorzunehmen, sondern zur DRG-Zuordnung nach den gängigen Regeln, womit wir zu

    Zitat


    Original von murx:Von einer Nachbesserung der DKR würde verspreche ich mir nicht sehr viel, die Änderung muss in den Köpfen stattfinden.

    kommen.

    Nur wenn die DKR inhaltlich geklärt ist, kann es in den Köpfen, die zu unterschiedlichem Trägern (Leistungs- und Kostenträger) gehören, auch gleich ankommen.

  • Sehr geehrter Herr Selter,

    Zitat


    Original von Selter:

    Hier wird ja wohl etwas komplett falsch verstanden. Die Kodierung ist weder zur Erlössteigerung noch zur Verweildauererläuterung ...

    Das glaube ich aber auch! Bevor man mich in die falsche Ecke rückt, möchte ich die Mittagspause nutzen, um meine Gedanken umzuformulieren:

    Kodierungen wurden primär nicht von Klinikern zu Erlössteigerung oder sonst etwas erfunden, sondern von \"Gesundheitsreformern\" erzwungen wegen angeblicher \"Transparenz\". Dafür leisten sich heutzutage Kliniken und MDK viele I\"dioten\", weil jeder \"normale\" Arzt überfordert ist. Leider liefert die Kodierung an und für sich dies sehr begrenzte Transparenz, weil sie die klinische Realität mit ihren klinikfremden Regeln und ihrer Kunstsprache nur partiell abbildet.

    Mit der Kodierung von Nebendiagnosen soll verdeutlicht werden, was den Normalfall vom besonderen Fall unterscheidet. Die Nebendiagnosen könnten eine Erlössteigerung (=Mehrkostenausgleich) gegenüber dem Standardfall begründen, wenn ihre Gewichtung etwas mit der klinischen Bedeutung zu tun hätte. Da gibt es die bekannten lächerlichen Ausrutscher (Hypokaliämie), die jetzt schon der Hausarzt kennt. Natürlich versucht man legale Möglichkeiten bei bestimmten Diagnosen zu nutzen, da es genügend andere DRG gibt, wo schwerste Ausprägungen einer Erkrankung nicht zu einer angemessenen Differenzierung führen. Ich halte es aber für verfehlt, daraufhin in jedem 5.-10. Fall den Klinikern eine kriminelle Erlös\"optimierung\" zu unterstellen. Diese Misstrauensmentalität und Prüfwut bringen Sie durch neue Kodierregeln nicht weg.

    Zur Historie der DKR möchte ich nur erwähnen, dass die Bereiche, die am häufigsten geändert wurden, noch immer am meisten umstritten sind und geprüft werden (s. Beatmung). Was haben die Neuregelungen und \"Klarstellungen\" zu den onkologischen Fällen und zu den Komplikationen uns eigentlich an Erleichterungen gebracht?

    Schließlich würde mich aber nun auch interessieren, wie das Wort \"Behandlung\" genau gemeint ist. Meines Erachtens ist die Diagnostik ebenso wie die Therapie auch ein Bestandteil der Behandlung, sonst könnten Sie viele Fälle in konservativen Fächern schließlich gar nicht mehr begründen. Vom Aufwand her sind nach meiner Kenntnis nur Labornachkontrollen nicht mehr als Kodierungsgrund zu rechtfertigen.

    Also gut: lassen wir die Gremien ihre Mühlen anwerfen, ich bin dann schon gespannt auf die nächsten wunderbaren Kodierrichtlinien. Wie war das mit dem Suppenkaspar, hat er schon wieder zugenommen?

    Gruß murx

  • Hallo Forum,

    um die Diskussion mal wieder etwas ins medizinische zu lenken: Was Abbey beschreibt, scheint ein typisches \"Pallacos-Syndrom\" durch Einbringung von KNochenzement zu sein - das Problem ist jedem Unfallchirurgen und jedem Anästhesisten bekannt (glücklicherweise in diesem Fall glimpflich abgegangen, das kann nämlich durchaus auch tödlich enden). Ganz abseits von der Frage nach der Therapie muss man sich also zunächst fragen, was da eigentlich abläuft - dummerweise ist das nicht ganz so eindeutig:

    Hauptsächliches Problem ist in der Regel (sowohl nach tierexperimentellen als auch nach Sektionsbefunden) in der Tat eine Embolie, und zwar teilweise durch Zementmaterial, teilweise durch Knochenmark (sogar durch feste Knochenpartikel) und (durch Zementeinfluss ent-emulgierte) Blutfette. Zusätzlich können allergische Reaktionen auftreten, diskutiert wird auch ein direkter kardiotoxischer Effekt der Zementbestandteile. Und zu guter letzt könnte auch die Wärmeentwicklung des abbinden Klebstoffs (Zement ist es ja eigentlich eh nicht) zu Kreislauffehlregulationen führen.

    Allen mir bekannten Untersuchungen nach ist der erstgenannte Mechanismus der wichtigste, so dass jeder im OP bei einem entsprechenden Ereignis von einem zumindest teilweise embolischen Geschehen ausgehen wird. Somit ist also die Lungenembolie der spezifischste Code.
    Nach DKR D001 a \"gibt es einige Krankheiten, die nicht immer durch Untersuchungsbefunde bestätigt werden\". Eine spezielle DKR, die den apparativen Nachweis einer Embolie fordern würde, gibt es nicht. D-Dimere würden hier wenig weiterhelfen und ein CT zur Abrechnungsdokumentation wird wohl niemand ernstlich verlangen können.

    Untermauern kann man die Diagnose dann evtl. noch mit dem Narkoseprotokoll bzw. der Erinnerung des Anästhesisten: Was kam denn zuerst - der Sättigungsabfall oder das auffällige EKG? Denn nur, falls die EKG-Veränderung zuerst kam, kann sie den Sättigungsabfall verursacht haben. Ganz abgesehen davon ist es auch ziemlich unwahrscheinlich, dass eine Innenschicht-Ischämie sich so massiv auf die Pumpfunktion auswirkt, dass die periphere Sättigung abfällt.

    Jetzt brauchen Sie also nur noch irgendeine Therapie (ich gehe doch mal davon aus, dass Sättigungs- und Druckabfall irgendwie behandelt wurden? Zusätzliche Volumengabe? Akrinor? Katecholamine?), und schon haben Sie eine Diagnose.

    Ich würde mal vermuten, dass der beurteilende MDKler weder Unfallchirurg noch Anästhesist war - es könnte helfen, bei einem evtl. Widerspruch einen solchen als Gutachter zu haben (wie gesagt, das Problem kennt jeder, der längere Zeit in unfallchirurgischen OPs war).

    So, das war jetzt zwar lang, aber vielleicht hilfts ja weiter ;)

    Sonnige Grüße

    MDK-Opfer