Neues vom BSG / LSG

  • "Es gehe sowohl um das äußere Erscheinungsbild der Richter als auch um ein Sprachtraining."

    Das produziert mir ein recht reges Kopfkino. :/

    Grüße aus dem Salinental

  • Wasser Abschlagen ist ein Menschenrecht und hindert nicht die Abrechnung der NKB

    Guten Morgen,

    es ist unfassbar, was sich vor deutschen Gerichten abspielt:

    L 4 KR 614/16

    „Der SMD kam in seiner Stellungnahme vom 13.06.2013 zu dem Ergebnis, dass der stationäre Aufenthalt mit der DRG B04C abzubilden ist. Aus den vom Krankenhaus vorgelegten Unterlagen ergäben sich nicht die Voraussetzungen für den OPS 8-981. Zur Kodierung des vorgenommenen OPS sei als Mindestmerkmal ein 24-Stunden-Monitoring von 6 Vitalparametern gefordert, welches nur zur Durchführung spezieller Untersuchungen und Behandlungen unterbrochen werden dürfe. Im vorliegenden Fall sei die Versicherte jedoch bereits am Aufnahmetag auf die Toilette mobilisiert worden. Es sei den Unterlagen nicht zu entnehmen, dass bei der Mobilisation ins Badezimmer ein Monitoring weitergeführt worden sei."

    Dazu das Gericht:

    Die OPS-Regelung OPS 8-981.1 sah bereits eine Möglichkeit der unschädlichen Unterbrechung des Monitorings vor. Der Senat kann offen lassen, ob hinsichtlich einer weiteren Art der Unterbrechung - hier der Gang zur Toilette - ein Fall der ergänzenden, verfassungskonformen Auslegung oder der Analogie anzunehmen ist. Die Auslegung ist nämlich jedenfalls sachlich gefordert, um Patienten, die noch selbstständig die Toilette aufsuchen können, dies auch zu ermöglichen. Alternative wäre nämlich, dass - im Kosteninteresse des Krankenhauses - wohl regelmäßig ein Blasenkatheter gelegt werden würde. Schlaganfallpatienten haben eine akut gefährdende gesundheitliche Situation, bei der sie sich in besonderem Maße in die medizinische Verantwortung der Ärzte begeben müssen. D.h., Kostengesichtspunkte sind bei der Behandlung leichter durch das Krankenhaus durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund gebieten auch der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz - GG) sowie das allgemeine Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 1 GG), die auch gegenüber den Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts wirken, eine erweiternde Auslegung der OPS-Regelung 8-981.1 dahingehend, nach Möglichkeit den selbstständigen Toilettengang zu gewährleisten.

    Sa-gen-haft

    und: Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

    Ich vermute, die KBS wird Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.


    merguet

    Einmal editiert, zuletzt von merguet (28. Februar 2018 um 09:58)

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Neurologische Komplexbehandlung

    zur Erinnerung

    Keine Abrechnung der neurologischen Komplexbehandlung bei selbständigen Toilettengang des Patienten

    Das Landessozialgericht für das Saarland hat in zwei aktuellen Entscheidungen die Codierung des OPS-Code 8-981 (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) verneint, weil sich der betroffene Patient während der Behandlung auf der Stroke-Unit der Krankenhäuser zum Toilettengang selbständig vom Monitoring abgekoppelt hatte und daher nach Ansicht des Gerichts, dass Erfordernis eines 24-Stunden-Monitoring nicht erfüllt sei (vgl. Urteile vom 17.02.2016 – L 2 KR 172/14 – und vom 25.01.2017 – L 2 KR 64/14 -).

    http://medizinrecht.ra-glw.de/index.php/kein…-des-patienten/


    Komplexbehandlung des Schlaganfalls: Fachgesellschaften widersprechen Sozialgericht

    Dienstag, 27. Juni 2017

    Berlin – Eine neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls über 72 Stunden ist auch bei einem moderaten Schlaganfall ohne weitere Besonderheiten gerechtfertigt. Das betonen die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). In einer Stellungnahme widersprechen sie damit einem Urteil des Sozialgerichts Saarland vom 8. Juni 2017 (AZ L 2 KR 179/14).

    https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/76…n-Sozialgericht

    http://medizinrecht.ra-glw.de/index.php/neur…plexbehandlung/


    Gruß

    E Rembs

  • Hallo,

    kann hier den Unmut über das neue Urteil aus Bayern nicht nachvollziehen. Auch in der häufig zitierten AHA/ASA Guideline zur Akutbehandlung bei Schlaganfall ist in Kapitel XV nachzulesen, dass bei weniger schwer betroffenen Patienten eine frühe Mobilisation ausdrücklich empfohlen wird. Damit ist ganz sicher nicht nur die einmal tägliche Mobilisation durch die Physiotherapie gemeint.

    Ebenso ist bei deutlich erhöhtem Infektrisiko die Mobilisation wünschenswert. Und last, not least welche prima Gelegenheit die kognitiven und motorischen Fähigkeiten des Patienten - neben der NIHSS Erhebung - zu überprüfen - hier kann ein Progress detektiert werden. Hier geht es ja auch nicht um eine Kreislaufüberwachung höchst kreislaufinstabiler Patienten, bei denen ein durchgehendes Monitoring unabdingbar ist - diese werden in der Situation nicht aufstehen und liegen wohl auf einer Intensivstation...

    Freundliche Grüße

    Margherita

  • Guten Morgen,

    verzeihen Sie, aber ich bin inhaltlich voll auf Ihrer Seite. Ich bin nur entsetzt, dass deutsche Gerichte sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob ein Patient auch beim Pinkeln am Monitor bleiben soll.
    Das zeigt, dass eben keinerlei Gedanken mehr an das Grundprinzip der Überwachung verschwendet wird, sondern dass die semantischen Feinheiten ausgeschlachtet werden, um neue Einsparmöglichkeiten gerichtlich festschreiben zu lassen.

    Bei den vom DIMDI erarbeiteten Formulierungen wird mit derlei Fragestellungen niemand gerechnet haben und das war auch nicht Absicht des Systems.

    Es ist halt eine der vielen Schützengräben, die sich mittlerweile durch das System ziehen. Statt einer vernünftigen Abstimmung zwischen den früheren "Gesundheitspartnern" kommt es immer mehr zu einer Auseinandersetzung. Die Atmosphäre wird durch derlei Unsinn weiter vergiftet.

    Gruß

    merguet

  • Hallo zusammen,

    das DIMDI selbst setzt nur das um, was von den Fachgesellschaften kommt. Und die Experten dort sollten schon so weit in der Realität verankert sein, um potentielle Fallstricke und semantische Unklarheiten in der Abrechnung vorher zu erkennen. Und dann sehen Sie sich mal unter dem Licht der Streitigkeiten den Vorschlag für den OPS 2009 an. Insbesondere der Passus zum Monitoring, bzw. dessen Unterbrechung wurde 1:1 umgesetzt. Und eine der beteiligten Organisationen war die DRG-Research Group. Gehen Sie ernsthaft davon aus, dass die nicht mit den Absurditäten des Systems vertraut sind/waren?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

    • Offizieller Beitrag

    das DIMDI selbst setzt nur das um, was von den Fachgesellschaften kommt. Und die Experten dort sollten schon so weit in der Realität verankert sein, um potentielle Fallstricke und semantische Unklarheiten in der Abrechnung vorher zu erkennen.

    Hallo,

    diese Aussage ist falsch. Das DIMDI setzt nicht nur das um, was von FG kommt, ansonsten wäre die AG-OPS überflüssig. Vorschläge bedürfen einer Vorlage und (prinzipieller) Unterstützung einer/mehrerer FG, um in der AG-OPS thematisiert zu werden. Die weiter Abstimmung erfolgt in dann in mehrerer Sitzungen im Mai und Juni, falls nötig, mit weiteren schriftlichen Bearbeitungen. Bei speziellen Terminen werden auch Vertreter der FG eingeladen. Wer meint, dass FG oder die Vertreter in der AG-OPS (oder ICD) alle möglichen und unmöglichen Interpretationsideen vorher wissen können, ist gründlich auf dem Holzweg. Das hat auch nun mal gar nix mit vorhandenem oder fehlendem Realitätsbezug zu tun. Zudem bieten die Klassifikationen auch nicht den Platz für romanhafte Erläuterungen. Mit gewissen Unzulänglichkeiten ist daher zumindest temporär zu leben, bzw. diese dann im Vorschlagsverfahren zu thematisieren.

    Dass man wegen eines Toilettengangs einen Fall vors Gericht bringt, ist ohne Verankerung in der Realität, einzig in Bezug auf sinnfreie Zahlungsverweigerung zu sehen. Ich würde mich vor Gericht schämen, dies vertreten zu müssen.

  • Hallo,

    jetzt ist auch das "Nitinol-Urteil" online.

    Eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter ist nicht im Rechtssinne "erforderlich" mit der Folge, dass das Krankenhaus hierfür keine Vergütung beanspruchen kann. Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen, insbesondere auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V) einschließlich Krankenhausbehandlung (vgl BSG SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 13 mwN). Krankenhäuser sind dementsprechend innerhalb ihres Versorgungsauftrags - als der Grenze der Behandlungspflicht außerhalb von Notfällen - weder befugt, ungeeignet zu behandeln noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern. Das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V und wird in § 70 Abs 1 S 1 SGB V auch als "allgemeiner Grundsatz" des Leistungserbringungsrechts im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V ausdrücklich hervorgehoben. Danach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das Qualitätsgebot gilt nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Sorry,

    ich muss mich noch einmal zum Toilettengang verdichten: Es kommt doch keiner vorab auf die Idee, aus diesem Grund die in einem OPS gestellten Anforderungen so zu formulieren, damit hinterher der Erlös ins Wanken gerät. Dass da jemand einen Fallstrick konstruiert, ist nicht vorhersehbar. "Die Gutachter" gibt es nicht. Wer meine Beiträge liest, weiß, dass ich mit Vielen vertrauensvoll zusammenarbeiten kann und mir die Argumente der Gutachter häufig einleuchten. Eine solche Pinkelpause zum Anlass zu nehmen, einem KH den Erlös zu streichen, halte ich indes für böswillig. Auch dass die Kasse das dann tatsächlich durchzieht hat eben nur noch etwas mit virtuoser Kostenabwehr zu tun. Das vergiftet das Klima und schädigt die KH an Stellen, wo sie es nicht verdienen.

    Gruß

    merguet