Neues vom BSG / LSG

  • Die Parallel-Entscheidung des 3. Senats ist veröffentlicht: B 3 KR 1/12 R

    Zitat

    In einer weiteren Entscheidung des 1. Senats vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ging es um die Nachforderung einer die Bagatellgrenzen überschreitenden restlichen Krankenhausvergütung mehr als vier Jahre nach der Erteilung der Schlussrechnung, aber noch vor Eintritt der Verjährung. Der 1. Senat hat in Fortführung seines Urteils vom 8.9.2009 entschieden, dass eine so späte Korrektur gegen Treu und Glauben verstößt, und dabei zur Erläuterung hinzufügt, die Krankenkassen könnten von den Krankenhäusern erwarten, dass sie - in Einklang mit ihren eigenen Interessen - "jedenfalls innerhalb eines vollständigen Geschäftsjahres" durch ihre Binnenkontrolle abklären, dass die erteilten Schlussrechnungen vollständig sind (Terminbericht Nr 59/12 vom 14.11.2012, Nr 5). Damit hat der 1. Senat die aus seiner früheren Entscheidung zu entnehmende Korrekturfrist offensichtlich erweitert, und zwar unabhängig davon, ob die Schlussrechnung aus dem ersten oder zweiten Halbjahr eines Kalenderjahres stammt. Es ist für die Korrekturmöglichkeit nun auch nicht mehr auf das laufende Haushaltsjahr abzustellen, wie es noch der früheren Entscheidung vom 8.9.2009 zu entnehmen war, sondern stets das Folgejahr einzubeziehen, weil für die Korrektur mindestens ein "vollständiges Geschäftsjahr" zur Verfügung stehen muss. Daraus ist für die Dauer der Korrekturfrist zu schließen, dass eine Rechnungskorrektur innerhalb von maximal 729 Tagen (für eine der Krankenkasse am 1.1. zugegangene Schlussrechnung) und mindestens 365 Tagen (für eine am 31.12. zugegangene Schlussrechnung) zu erfolgen hat.

    m.E. eine praxistaugliche Entscheidung, mal sehen ob die Kassen da mitspielen, oder sich auf die insoweit etwas missverständlichen Aussagen des 1. Senats beziehen... :rolleyes:

  • gestern auf einer Fortbildung mit dem Vorsitzenden des 3. Senats gewesen, dieser machte einige Anmerkungen, die für die im Mai anstehende Entscheidung zum Az. B 3 KR 21/12 R (Prüfdauer) ggf. noch Interessantes erwarten lassen... Außerdem wieder mal der gut gemeinte Ratschlag "bringen Sie uns Fälle hoch", insbesondere die Fragen zum zulässigen Inhalt eines Kurzberichtes und die Pflicht zur Spezifizierung des Prüfauftrages wurden angesprochen.

    Es bleibt spannend... 8)

  • Morgen wird es in Kassel wieder spannend:

    2) 10.15 Uhr - B 3 KR 28/12 R - Marienhospital O. ./. AOK Niedersachsen
    (..) "Die durchgeführte Herzkatheteruntersuchung werde in der Regel ambulant vorgenommen. Deshalb hätte die Klägerin der Beklagten gegenüber die Gründe angeben müssen, warum hier ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei. Dies sei nicht geschehen und die Rechnung der Klägerin darum gar nicht fällig geworden. Das Nachholen der Begründung - wie hier tatsächlich erfolgt - ändere an diesem Ergebnis nichts."

    3) 11.45 Uhr - B 3 KR 2/12 R - Universitätsklinikum T. ./. DAK-Gesundheit
    (..) " Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch nach § 137c SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht ausgeschlossene Behandlungsmethoden im Einzelfall auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden dürften. Das LSG habe weiter gegen § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V verstoßen, indem es unberücksichtigt gelassen habe, dass neben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auch der medizinische Fortschritt zu berücksichtigen sei, so dass es ebenso auf die Meinung weniger namhafter Spezialisten ankomme. Die Entscheidung des LSG sei zudem unter mehrfacher Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes ( § 103 SGG) zustande gekommen, weil es die Gutachten des Prof. Dr. H. trotz substantiierter Einwendungen im Wege des Urkundenbeweises verwertet und sich mit den gestellten weiteren Beweisanträgen nicht befasst habe."

    http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2013&nr=12845

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo liebe Forumsmitglieder,

    die Urteilsbegründung des BSG (1. Senat) zur zeinahen Durchführung des MDK-Prüfverfahrens ist veröffentlicht.


    Interssant ist ein Nebenaspekt unter RNr. 18:

    Hierbei stellt das BSG auf die Formulierung des § 275 Abs. 1 Nr. 1 "bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung" ab.

    "Das Krankenhaus darf die Herausgabe von dennoch angeforderten weiteren Behandlungsunterlagen, die über das für die Abrechnung Erforderliche (vgl hierzu BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R - RdNr 29 und 31, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) hinausgehen, an den MDK unter Hinweis auf das Fehlen von Auffälligkeiten verweigern." 8)

    Da stellt sich mal wieder die Frage, ob die Auffälligkeiten, aufgrund derer die Prüfung erfolgen soll, dem Kranknehaus mitzuteilen sind.

    Viele Grüße

    Medman2

  • gerade habe ich folgenden gerichtlichen Hinweis des SG Duisburg auf dem Tisch:

    Zitat

    ... die insoweit erhoffte höchstrichterliche Klarstellung der vorliegenden Verwirkungsproblematik ist nicht eingetreten. Das Gericht entnimmt den Urteilen ... , dass zwischen 1. und 3. Senat des BSG keine Einigkeit darüber besteht, bis zu welcher Grenze eine KHabrechnung vom KH korrigiert werden kann. Trotz dieser Divergenz zwischen den beiden KR-Senaten ist der Große Senat nicht angerufen worden, sodass mit einer einheitlichen BSG-Rechtsprechung mittelfristig nicht gerechnet werden kann.

    Das SG schlägt dann einen 50:50 Vergleich vor... :rolleyes:

    Was soll denn das? Gerichte streuen jetzt selbst Rechtsunsicherheit, um Verfahren wegzuvergleichen oder was? Der 3. Senat hat äußerst praktikable (und m.E. auch interessengerechte) Vorgaben gemacht, die m.E. nicht im Widerspruch zu der Begründung des 1. Senats stehen. Der 1. Senat hat in seinem Urteil zudem ausdrücklich den vielfach von Kassenseite kritisierten Ergänzungen des 3. Senats im 2009er Urteil zugestimmt...

    Hoffe sowas macht nicht Schule... :cursing:

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend

    Aktuelles Urteil „off-label“

    Gruß
    E Rembs


    8. April 2013

    L 5 KR 102/13 B ER

    I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
    des Sozialgerichts Regensburg vom 12. März 2013 aufgehoben und die
    Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den
    Antragsteller von den Kosten für eine Therapie mit Avastin für ein
    dreimonatiges Therapieintervall vorläufig freizustellen.
    ….

    Gerade auch vor dem Hintergrund, dass der von der
    Antragsgegnerin eingeschaltete MDK Bayern die vom Antragsteller begehrte
    Untersuchung zur Abklärung einer tatsächlich vorhandenen Progression abgelehnt
    hat, ist das Interesse des Antragstellers an der Erbringung einer Leistung zur
    Behandlung einer - nur möglicherweise bestehenden Verschlechterung des
    Krankheitsbildes - schwerer zu gewichten als ein Interesse der Antragsgegnerin,
    auch nicht vorläufig mit teuren Leistungen für nicht anerkannte Behandlungsmethoden
    in Anspruch genommen zu werden. Es gilt die Schutzpflicht des Staates für das
    Leben aus Art.2 Abs. 2 Satz 1 GG. Das rein finanzielle Interesse der Antragsgegnerin tritt
    demgegenüber zurück. Nach Klärung des Rechtsstreits in der Hauptsache bleibt es
    der Antragsgegnerin unbenommen, gegebenenfalls zu Unrecht getragene Kosten
    erstattet zu verlangen.


    http://openjur.de/u/620447.html

  • Vorsicht, Herr Rembs - das ist eben kein off-label-*Urteil*, sondern nur eine einstweilige Anordnung. Da sieht die Abwägung völlig anders aus als bei einem Urteil: Das Gericht sagt damit noch lange nicht, dass Avastin am Auge o.k. ist, es sagt nur: Die Klägerin *könnte* eventuell recht haben, deswegen darf die Kasse nicht Fakten schaffen, indem sie die Behandlung verweigert. Wie das Gericht im Hauptverfahren entscheiden wird, lässt sich daraus nicht ableiten - möglicherweise muss die Klägerin ihr Avastin doch noch selber zahlen.

    regnerische Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Vorsicht, Herr Rembs - das ist eben kein off-label-*Urteil*, sondern nur eine einstweilige Anordnung.

    Der Gerichtssprecher Rittweger spricht von einer Eilentscheidung

    Das Gericht sagt damit noch lange nicht, dass Avastin am Auge o.k. ist, es sagt nur: Die Klägerin *könnte* eventuell recht haben, deswegen darf die Kasse nicht Fakten schaffen, indem sie die Behandlung verweigert.

    Der 1966 geborene Antragsteller ist an einem bösartigen hirneigenen Tumor (Glioblastom) erkrankt


    Gruß
    E Rembs

  • Guten Tag Zitat von »MDK.Opfer« Vorsicht, Herr Rembs - das ist eben kein off-label-*Urteil*, sondern nur eine einstweilige Anordnung.
    Der Gerichtssprecher Rittweger spricht von einer Eilentscheidung

    Das ist das gleiche - es geht hier nur um den vorläufigen Rechtsschutz, da durch die Verweigerung der Therapie ja tatsachen geschaffen würden, die nach einem eventuellen Sieg des Klägers im Hauptverfahren nicht mehr korrigierbar wären. Es ist *kein* urteil über die zulässigkeit der Avastin-Therapie.

    Der 1966 geborene Antragsteller ist an einem bösartigen hirneigenen Tumor (Glioblastom) erkrankt

    Oh, sorry, so weit hatte ich gar nicht gelesen (normalerweise gehts bei Avastin und Off-label ja ums Auge). Das macht einerseits die Entscheidung des Gerichts verständlicher (der Kläger wird bei Nicht-Therapie wahrscheinlich das Ende des Verfahrens gar nicht erleben, also besteht ein Bedürfnis für vorläufigen rechtsschutz), andererseits ist ja die Zulassung von Avastin für das Glioblastom mangels Wirksamkeit abgelehnt worden, was einen Sieg der Kasse im Hauptverfahren wahrscheinlicher macht. Da könnte auf den Kläger (bzw. die Erben) eine böse Rückforderung zukommen, das könnte in der Größenordnung von 2-3.000 Euro monatlich liegen...
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