Kriseninterventionelle Behandlung (9-641)

  • Hallo, die Anwendung des Codes (9-641), kriseninterventionelle Behandlung löst immer wieder Unsicherheit aus, wie beim folgenden Fall: Pat. mit der Hauptdiagnose F20.0 befindet sich seit mehreren Tagen auf einer Intensiveinheit, eingestuft nach G2. Hier dekompensiert die Pat. abermals und muss für mehrere Stunden 5-Punkt fixiert werden bei entsprechender Betreuung, Dokumentation ect.. Meiner Meinung nach sind die Mindestmerkmale gegeben, es sei denn man versteht unter "vorübergehende psychische Störung als Reaktion auf außergewöhnliche Ereignisse und Lebensumstände" nicht eine psychotische Krise sondern evtl. nur Belastungsstörungen. Hat Jemand Erfahrung damit?

    Für Antworten bedanke ich mich schon jetzt!

    Einmal editiert, zuletzt von runa 50 (1. April 2015 um 12:44)

  • Hallo,

    bei der beschriebenen Konstellation handelt es sich um eine Exazerbation der Grunderkrankung. Dieses ist über die Intensivmerkmale und folglich die entsprechende Intensivbehandlung abgedeckt und dokumentiert. Die Kriterien für den Kriseninterventionscode sind nicht gegeben (wir hier in der Klinik haben nach kritischer Durchsicht der codierten "Krisen" keine einzige (!) Krisenintervention im OPS-Sinne identifizieren können.


    Viele Grüße,

    Paliperidon

  • Da kann ich Paliperidon nur zustimmen: im beschriebenen Fall handelt es sich bei der Dekompensation des Patienten nicht um eine "Störung als Reaktion auf außergewöhnliche Ereignisse und Lebensumstände", so dass hier die Voraussetzungen eigentlich nicht gegeben sein dürften - obwohl ein entsprechender Kode genau in einem solchen Fall auch Sinn machen würde, da ja ein deutlicher Mehraufwand besteht.

    Auch in unserem Hause gab es 2014 keine einzige kodierte Krisenintervention! Entweder man legt den entsprechenden Kode butterweich aus oder aber er hat keine echte Relevanz, da auf absolute Ausnahmen beschränkt.

    Schöne Grüße
    Anyway

  • Hallo runa 50,

    der Begriff Krise wird heutzutage schon (fast inflationär) für die Exazerbation einer Erkrankung gebraucht. Der eigentliche Krisenbegriff, der in dem OPS-Code wie auch in der Fachliteratur beschrieben wird, ist mit einem Auslöser verbunden.
    Die Auslöser für die im Code genannten „außergewöhnliche Ereignisse und Lebensumstände“ könnten z.B. sein: Veränderungen im Leben, psychosoziale Belastungen oder Bedrohungen (Arbeitsplatzverlust, Partnerschaftskonflikte oder Verlust eines Angehörigen, Wohnungsverlust), Schicksalsschläge, Katastrophen, Traumen, Gewaltverbrechen, usw..

    Daraus kann eine psychische/seelische Störung resultieren, da bei den betroffenen Menschen die Ressourcen und Strategien zur Bewältigung der Ereignisse nicht ausreichen.

    Viele Grüße,

    TWaK

  • Guten Morgen,

    hier wird von einem leitenden Arzt die Auffassung vertreten, dass auch die Aufnahme in einer psychiatrischen Klinik (evtl. mit besonderen Aufnahmeumständen)
    mit allen negativen Begleiterscheinungen der Auslöser einer Krise im OPS-Sinn sein kann.
    Ich halte das - bei plausibler Dokumentation - für anwendbar.

    Viele Grüße - NV

  • Hallo!

    Zu dieser Diskussion habe ich einige Anmerkungen:

    • Warum werden medizinisch bisher reletiv eindeutig verwendete Begriffe mit der Verwendung im OPS so oft umdefiniert, meist formalisiert und verlieren dadurch ihren medizinischen Wert. Ein Beispiel dafür ist die Sepsis, die ich einerseits trotz klinisch eindeutigem Verlauf nicht mehr verschlüsseln darf, wenn auch nur ein Kriterium (aus welchem Grund auch immer) nicht erfüllt ist und die ich gleichzeitig formal verschlüsseln kann, wenn die Kriterien zwar erfüllt sind, ich aber klinisch nie von Sepsis reden würde. Auch die Krisenintervention war - denke ich - vor Aufnahme in den OPS unter Psychiatern ein relativ klar definierter Fachbegriff.
    • Zu der Krise gehört per Definition (klinisch und OPS) ein Auslöser. Dieser kann extern sein, meiner Auffassung nach aber auch innerpsychisch, z.B. im Rahmen eines Wahnerlebens. Natürlich kann auch die stationäre Aufnahme einen Auslöser im Sinne einer Krise haben, das mag sogar oft sein. Zur Verschlüsselung als OPS ist jedoch zu bedenken, dass einerseits "dringliches therapeutisches Handeln erforderlich" ist (auch in der Psychiatrie gibt es elektive Aufnahmen) und dass es hier nicht um die Krise (sozusagen als Diagnose) sondern um die Krisenintervention als Therapie geht, d.h. dass auch die anderen Kriterien (tagesbezogen einen hohen Personaleinsatz, vordringliche, ungeplante (außerhalb des vorgegebenen Therapieplans), Orientierung gebende, einzeltherapeutische Kontakte, Tägliche ärztliche Befunderhebung und ggf. ärztliche Anordnung) vorliegen müssen. Den OPS bei jeder Aufnahme zu verwenden sehe ich genau so problematisch, wie ihn gar nicht zu verwenden.
    • Ich halte die Krisenintervention für eine in der klinischen Psychiatrie durchaus übliche Intervention. Bei den Aussagen, dass sie gar nicht angewendet wird würde ich, zumindest in der Akutpsychiatrie, hellhörig. Durch die Unschärfe der Kodes untereinander liegt für mich dann zumindest der Verdacht nahe, dass statt der Krisenintervention eventuell die (bisher lukrativere) Einzelbetreuung kodiert wurde. Hier sollte meines Erachtens zumindest Hausintern eine relativ klare Abgrenzung erfolgen und den jeweiligen Kodierern zur Verfügung stehen. Auch im Sinne der Systementwicklung ist es erforderlich und sinnvoll, dass die Leistungen sachgerecht kodiert werden. Wenn keine Krise kodiert wird, kann dass InEK si auch nicht hinischtliche des Kostenaufwandes bewerten.

    Gruß

  • "Den OPS bei jeder Aufnahme zu verwenden sehe ich genau so problematisch, wie ihn gar nicht zu verwenden."

    Hallo,

    nein, so war es nicht gemeint. Aber für manchen Patienten löst erst die Klinikaufnahme eine Krise (OPS) aus, die er vorher nicht hatte, weil für ihn alles super war.

    Viele Grüße - NV

  • Hallo,
    Ich finde die Aussage von GW zum kodiertechnischen Verständnis des Kodes der Krisenintervention sehr wichtig.

    Zur Verschlüsselung als OPS ist jedoch zu bedenken, dass einerseits "dringliches therapeutisches Handeln erforderlich" ist (auch in der Psychiatrie gibt es elektive Aufnahmen) und dass es hier nicht um die Krise (sozusagen als Diagnose) sondern um die Krisenintervention als Therapie geht, d.h. dass auch die anderen Kriterien (tagesbezogen einen hohen Personaleinsatz, vordringliche, ungeplante (außerhalb des vorgegebenen Therapieplans), Orientierung gebende, einzeltherapeutische Kontakte, Tägliche ärztliche Befunderhebung und ggf. ärztliche Anordnung) vorliegen müssen. Den OPS bei jeder Aufnahme zu verwenden sehe ich genau so problematisch, wie ihn gar nicht zu verwenden.


    In unserem Haus haben wir uns auf folgende Arbeitsdefinition geeinigt:Wenn der Patient aufgrund seines psychischen Zustandes ein dringendes, also sofortiges pflegerisches,ärztliches und/oder therapeutisches Handeln benötigt, kann das entweder eine Krisenintervention oder eine 1:1 Betreuung auslösen.

    Die Unterscheidung zwischen 1:1 und Krisenintervention findet folgendermaßen statt:

    1)Eine 1:1 Betreuung hat zur Voraussetzung dass der Patient selbst- und/oder fremdgefährdet ist und die Betreuung muss deshalb auch ununterbrochen stattfinden.

    2)Eine Krisenintervention (kodiertechnisch!) sind sofortige pflegerisch, ärztlich und/oder therapeutisch erforderliche Handlungen bei allen anderen psychischen Zuständen. Sie können unterbrochen werden und dann zeitlich über den Tag summiert werden.

    Wir sind dankbar für weiteren Austausch, um klareres Verständnis zu erhalten! 
    Schöne Grüße

    E. Rah.

    Medizinische Dokumentarin

  • Bei uns ist die kriseninterventionelle Behandlung selten, aber kommt vor. Ein auslösendes Ereignis/ Situation setzen wir voraus (z.B. Kündigung/ Trennung WÄHREND des Aufenthaltes). Kompliziert ist es, weil sich am Anfang gar nicht erkennen läßt, ob am Ende die Mindestzeit erreicht ist, oder weil am Anfang ein Gespräch stattfand, was im Umfang einer TE war und dann schon als solche verschlüsselt wurde, weil wegen der Seltenheit und dem Streß der Situation niemand daran denkt, es zu verschlüsseln... kein besonders geschmeidiger Code...

    Viele Grüße
    Kodirre

  • Hallo,

    darf ich bei einer Krisenintervention die erbrachten Therapieeinheiten (z.B. 9:00 Krise Einzelgespräch 30 min Arzt, 13:00 Angehörigengespräch, 9:45 Einzelgespräch Pflege, 11:00 Einzelgespräch Arzt ....) für den Tag zusammenzählen?

    Schönen Abend @ all

  • Hallo Peppy,

    alle Zeiten (Nicht Therapieeinheiten!) von Ärzten und Psychologen 9-641-0 , sowie von Pflege und Spezialtherapeuten 9-641.1 können jeweils für einen Tag addiert werden. Hier gilt keine Mindestdauer von 25 Minuten.

    Grüße, helmutwg