Wahl der Hauptdiagnose

  • Hallo Herr Helling,

    ich stimme gerne mit Ihnen darin überein, dass die Entscheidung des aufnehmenden Arztes, den Patienten „über Nacht da zu behalten“, den entscheidenden konstituierenden Faktor für den stationären Aufenthalt darstellt, aber dies bedeutet ja nicht, dass der Moment dieser Entscheidung den Beginn des stationären Aufenthaltes markiert und der Anlass zu demselben just zu diesem Zeitpunkt erst entsteht.

    Wenn man Ihrer Logik folgt, befände sich die zur Operation ihres Uterusmyoms aufgenommene Patientin vor Ihrer ersten Begegnung mit einem Krankenhausarzt in – ja, was würden Sie sagen? ambulanter? vorstationärer Behandlung? Oder wäre Sie gar noch überhaupt zu keiner Art von Krankenhausbehandlung aufgenommen?

    Wenn Sie den Beginn des stationären Aufenthaltes auf den ersten Arztkontakt datieren, müssen Sie konsequenterweise bei Patienten, die um 23:50 Uhr per RTW eingecheckt und um 00:10 erstmals dem Stationsarzt vorgestellt wurden, den Beginn des stationären Aufenthaltes und damit auch den für die Berechnung der Verweildauer maßgeblichen Aufnahmetag auf den Tag nach Mitternacht verlegen. Ein vom Standpunkt der Kostenträger aus gesehen attraktives Szenario – allerdings wohl – zumindest heute – fernab der praktizierten Realität.

    Die Patientin wurde (postuliere ich jetzt einfach mal) von Ihrem Hausarzt zur operativen Behandlung Ihres Uterusmyoms in stationäre Behandlung eingewiesen. Das Uterusmyom ist somit der Anlass des stationären Aufenthaltes. – Dass sie sich noch vor Ihrem ersten Arztkontakt den Fuß gebrochen hat, ändert daran nichts. Sie hat Ihren Krankenhausaufenthalt aus keinem anderen Grund angetreten.

    Das BSG-Urteil, das Sie zitieren, bezieht sich auf eine gänzlich andere Konstellation. Das Gericht hat im von ihm entschiedenen Fall festgestellt, dass nicht die tatsächliche, sondern die vom aufnehmenden Arzt geplante Dauer des Aufenthaltes darüber entscheidet, ob es sich um eine stationäre Krankenhausbehandlung handelt. Meines Erachtens überstrapazieren Sie die Urteilsbegründung, wenn Sie sie im hier diskutierten Fall als Argument dafür ins Feld führen, wann ein stationärer Aufenthalt beginnt und was ihn veranlasst hat.

    Schöne Grüße,
    B. Liebermann

  • Guten Tag zusammen,

    mit Abschluss der Aufnahmeuntersuchung entscheidet der Arzt über die Art der Behandlung im Krankenhaus (ambulant, vollstationär o.ä.).
    Wenn der Arzt auf Verbleib im Krankenhaus entscheidet und die Länge des Aufenthaltes über den Aufnahmetag hinaus plant, handelt es sich um vollstationäre Behandlung.
    Die Aufnahmeuhrzeit ist aber nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Arztes, sondern der Beginn der Behandlung ist ausschlaggebend. So ist es zumindest in NRW im Vertrag nach § 112 (2) 1 SGB V geregelt.

    Alles Gute,
    dewag

  • Hallo zusammen,
    diese Konstellation ist doch nicht so ungewöhnlich. Im normalen Kreiskrankenhaus wird der gestürzte Patient doch auch oft mit der Begründung \"Sturz aus innerer Ursache\" nach Frakturausschluß auf die Innere vertickt. Hier wird fiktiv die chirurgische Abklärung vorstationär vorgenommen und der Patient dann stationär internistisch aufgenommen.
    Als ein wesentliches Merkmal würde ich hier schon auch die verwaltungstechnische Aufnahem sehen. Wenn der Patient in Abteilung A aufgenommen wurde und nach 5 Std. in Abteilung B weiterverlegt wurde, dann dürfte die HD sich eher im Bereich der Abteilung A bewegen, als aus dem Bereich der Abteilung B. Obwohl dies eher als Indiz zu werten ist.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Liebermann,

    Sie verwenden die Begriffe \"Anlass\" und \"Veranlassung\" synonym und damit falsch: \"Anlass\" bezeichnet eine feststehende Tatsache, \"Veranlassung\" hingegen eine Handlung. Es ist aber nunmal kein Zufall, dass in DKR D002 von \"Veranlassung\" die Rede ist.

    Nach Ihrer Auffassung wird der stationäre Aufenthalt in diesem Fall durch den Hausarzt (mittels Einweisung) \"veranlasst\", bei anderen Konstellationen wären das dann der Rettungsdienst oder der Patient selbst. Diese Betrachtung kollidiert allerdings mit den Bestimmungen in § 39 SGB V Abs. 1, wonach die \"Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist\", weil das Behandlungsziel nicht durch andere Behandlungsformen erreicht werden kann. Nach übereinstimmender Rechtsprechung der Sozialgerichte bedeutet diese Regelung, dass erst die Entscheidung des aufnehmenden Krankenhausarztes den stationären Krankenhausaufenthalt zu Lasten der GKV \"veranlasst\". Daher ist es zumindest sehr zweifelhaft, ob vor dem ersten Arztkontakt überhaupt schon von einer \"Veranlassung\" i.S. von DKR D002 gesprochen werden kann.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo Forum, besonders Herr Helling und Herr Hollerbach!


    Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihren Ausführungen zufolge bei folgendem Fall die Hauptdiagnose das Uterusmyom wäre?


    Eine Frau kommt mit einem stationären Einweisungszettel ihres Gynäkologen ins KH und wird dort in der Verwaltung aufgenommen.

    Sie stellt sich auf der Station vor und bekommt ihr Zimmer gezeigt. Dann findet die ärztliche Aufnahme statt, bei der der Arzt die stationäre Aufnahme veranlasst aufgrund des Uterusmyoms.

    Auf dem Weg wieder zurück zu ihrem Zimmer stürzt die Patientin und zieht sich eine Fraktur des Mittelfußes zu.

    Die Fraktur wird im Laufe des KH-Aufenthaltes behandelt, das Uterusmyom nicht.

    AUF EINEN SPANNENDEN FUßBALLABEND !!! FINALE !!??

    Viele Grüße
    kemia

  • Zitat


    Original von mhollerbach:
    Sie verwenden die Begriffe \"Anlass\" und \"Veranlassung\" synonym und damit falsch

    Besten Dank Herr Hollerbach - und da hilft - wie bereits geschrieben - der Blick über den Tellerrand - Steuerrecht - siehe oben.

    \"Veranlassung\" betrachtet m.E. eben sogar fortlaufend die Gesamtbehandlung/Aufenthalt und die hat nicht der Uterus sondern der Fuß veranlasst.

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Hallo kemia,

    ja, in Ihrem Beispiel wäre nach den Bestimmungen der DKR die gynäkologische Erkrankung als Hauptdiagnose zu kodieren, da die Fraktur erst während des Aufenthaltes hinzugetreten ist.

    Es ist allerdings durchaus möglich, dass das einzelne Sozialrichter anders sehen, diese können sich in ihrer Argumentation dann aber nicht auf die DKR beziehen.

    TT: ich finde den Vergleich mit dem Steuerrecht ehrlich gesagt problematisch, da man dann ganz schnell wieder bei einer rein ressourcenorientierten Betrachtung landet. Momentan besteht doch weitgehend Konsens darüber, dass sich die \"Veranlassung\" (wie ausgeführt) auf die Entscheidung des aufnehmenden Krankenhausarztes bezieht. Im Steuerrecht wird der Begriff \"Veranlassung\" hingegen eher wieder als objektiver Bezug zum Ressourcenverbrauch der Gesamtbehandlung verwendet.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo kemia,
    da stimme ich Herrn Hollerbach zu. Diese Patientin ist eindeutig aufgenommen. Insofern wird nach DKR, vgl. z.B. die oben von mir verlinkte Vereinbarung zu den ersten DKR, Formulierung \"Umstände der Aufnahme\", das Uterusmyom HD, egal was danach passiert. Eine Ausnahme: Stellt sich \"nach Analyse\" das Myom doch als etwas anderes heraus, wird \"etwas anderes\" HD.

    Viele Grüße und einen schönen warmen Tag,
    J.Helling

  • Hallo Forum,

    ich habe hier folgenden Fall:
    Pat. ist wg. eines Cervix-Ca. in laufender Bestrahlungstherapie (ambulant). Aufgrund von starken Bauch-/Unterleibsschmerzen wird am vorletzten Tag der Bestrahlung staionär aufgenommen. Sonographisch stellte sich ein Harnverhalt dar, der mit einem Katheter entlastet wurde. Die Patientin entwickelte innerhalb von drei Tagen eine Urosepsis mit Keimnachweis, die entsprechend behandelt wurde.
    Im Verlauf Entfernung der liegenden Harnleiterschinen.

    Die Bestrahlungstherapie wurde im stationären Aufenthalt abgeschlossen (1 Bestrahlung), es erfolgte keine systemische Chemotherapie.

    Bitte um Vorschläge zur Codierung der Hauptdiagnose. Danke

    Gruß
    Okidoki

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    hauptsächlicher Grund für die Veranlassung der stationären Behandlung war der Harnverhalt (HD), nicht das CA und dessen Behandlung. Eine Sepsis (wenn dann alle Kriterien erfüllt) lag bei Aufnahme noch nicht vor, somit ND nach DKR D003.

    Wenn Sie den genauen Grund für den Harnverhalt (Symptom) diagnostiziert haben, bzw. diese bekannt und therapiert wurde, wird dies zur HD (siehe DKR D002 bzw. 0201).

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau