Verantwortung

  • Hallo Forum,
    eine 67 jährige Patientin erleidet durch ihren prügelnden Sohn neben multiplen Prellungen eine Commotio (Erbrechen+Kopfschmerzen).
    Sie weigert sich aus verständlichen Gründen gegen eine häusliche Entlassung und wird nach 5 Tagen in ein Frauenhaus entlassen.
    Die KK will nur einen Belegungstag bezahlen.
    Was kann man machen?

    In Zukunft der Patientin sagen: Das ist Ihr Problem. Sie haben ihren Sohn selbst zum Schläger erzogen und können jetzt nicht von der Solidargemeinschaft verlangen, für Ihren Krankenhausaufenthalt aufzukommen. Wir setzen Sie jetzt auf die Strasse.
    oder: Die Patientin zur Krankenkasse schicken, damit sie dort ihre Probleme vorbringt.
    oder: besser gleich den Juristen einschalten, damit man sich hinterher nicht von ihm anhören muss, wie man es hätte machen müssen.

    Wer kann mir einen Tipp geben.
    Beiträge von Juristen erwünscht!!! :d_gutefrage:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Hallo Herr Heller,

    wichtig ist m.E.in diesem Fall, ob auch med. Gründe für den verlängerten Aufenthalt verantwortlich waren.
    Wenn hier nur die Wartezeit für den Platz im Frauenhaus überbrückt wurde, so hätte die Patientin ab Ende der Behandlungsbedürftigkeit nach §39 SGB V zum Pflegefall erklärt werden müssen.Für die reine Unterbringung ist dann (analog zu Wartezeit auf vollstationären Pflegeplatz) nicht mehr die KK sondern die Patientin, die Angehörigen oder der Sozialhilfeträger zuständig. Alle müssen in diesem Fall unterrichtet werden.

    Für die KK ist in diesem Fall auch noch die Regressfrage gegenüber dem Sohn zu klären.

    Gruß von Rhein und Mosel... 8)

  • Hallo Forum, Hallo Herr Heller,

    ich glaube, dass die Fragestellung einen ganz wunden Punkt in der Gesetzgebung trifft, nämliche die soziale Verantwortung.

    Leider tritt die Problematik auch in vielen anderen, wesentlich häufiger vorkommenden Konstellationen auf.
    Beispielhaft könnte man hier das Ömchen mit den 2 gebrochenen und deshalb eingegipsten Armen anführen, die entlassen werden soll, aber leider keinen zu Hause hat, der ihr bei den Verrichtungen des alltäglichen Lebens wie Essenszubereitung, Körperpflege, Haushaltsführung etc. hilft.

    Und dann ???
    Verbleib im Krankenhaus: Nein, da nicht medizinisch notwendig!
    Pflegeversicherung: Nein, da Zustand nicht mindestens 6 Monate andauert!
    Häusliche Krankenpflege: Nein, da keine medizinische Pflege notwendig!
    Bleibt eigentlich nur noch eine Leistung aus dem Sozialhilfegesetz!

    Ich glaube im von Herrn Heller beschriebenen Fall, ist die einzige Lösung im Rahmen des BSHG zu finden, sofern eine Verlängerung der KHB nicht aus medizinischen Gründen notwendig ist.
    Vielleicht hinkt der Vergleich jetzt sehr stark, aber ich mache ihn trotzdem. Eine Mitarbeiterin eines Sozialamtes hat mir mal bestätigt, dass das Sozialamt verpflichtet ist, jedem Obdachlosen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, sofern er sich an das Sozialamt wendet.
    Liegt in diesem Fall denn wirklich eine so unterschiedliche Situation vor? Die Frau hat keine Unterkunft, wo Sie für ein paar Nächte unterkommen kann!
    Ich denke daher mal, dass eine Lösung im Rahmen des BSHG zu finden sein müsste (Ich kenne mich im BSHG allerdings nicht aus!). Dass die KK und/oder die Krhs. für die Kosten aufkommen sollen, kann und will ich mir eigentlich nicht vorstellen.

    Ich bin allerdings auch mal auf eine juristische Aussage gespannt.

    MFG

    Mr. Freundlich

  • Hallo Forum,

    das hier angesprochene Problem ist wirklich in befriediegender Weise kaum zu lösen, so wie ich es sehe bleiben zwei Lösungsansätze.

    In analoger Anwendung der vom BSG im Urteil B 3 KR 18/ 03 R aufgestellten Grundsätze (\"Das Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise bedeutet, dass es nicht ausreicht, von theoretisch vorstellbaren, besonders günstigen Sachverhaltskonstellationen auszugehen, die den weiteren Krankenhausaufenthalt entbehrlich erscheinen lassen, sondern dass zu prüfen ist, welche ambulanten Behandlungsalternativen im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen, weil nur so die kontinuierliche medizinische Versorgung eines Versicherten gewährleistet werden kann. Die Problematik wird besonders deutlich, wenn ein Patient auf Grund seines körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitszustands einstweilen oder auf Dauer nicht mehr in die eigene Wohnung zurückkehren kann, in der er vor dem Krankenhausaufenthalt gelebt hat. Eine Entlassung aus dem Krankenhaus kommt in solchen Fällen erst in Betracht, wenn geklärt ist, wo der weiterhin behandlungsbedürftige Patient nach der Entlassung - wenn auch möglicherweise zunächst nur vorübergehend - leben bzw wohnen wird und ob dort die notwendige medizinische Versorgung sichergestellt ist. Solange dies nicht geklärt ist, sondern nur theoretische Möglichkeiten im Raum stehen, kann ein Patient nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden; die stationäre Behandlung ist dann weiterhin “erforderlich †iS des § 39 Abs 1 SGB V.) kann man hier durchaus an eine Fortführung der Krankenhausbehandlung auf Kosten der Krankenkasse denken, da hier eine Entlassung nach Hause ausgeschlossen scheint und ein geeigneter Platz im Frauenhaus konkret noch nicht zur Verfügung steht. Hier gebe ich allerdings zu, dass diese Sichtweise durchaus bestreitbar ist.

    Einen zweiten Lösungsweg bieten die §§ 68 ff. SGB XII (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten). Hier ist das örtliche Sozialamt in der Pflicht.

    In letzter Konsequenz kann natürlich auch die Polizei nach den Regeln des Gewaltschutzgesetzes den prügelnden Sohn aus der Wohnung entfernen, das zuständige Amtsgericht kann der alten Dame auf Antrag die Wohnung zuweisen und dem prügelnden Sohn das Betreten verbieten. Nur - wird sich der Schläger um gerichtliche oder polizeiliche Weisungen kümmern ...?

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann

  • Zitat


    Original von Maehrmann:

    das hier angesprochene Problem ist wirklich in befriediegender Weise kaum zu lösen

    Hallo forum,
    zunächst einmal vielen Dank für die Beiträge.
    Sollte man das Forum vielleicht einmal dazu benutzen, einen geeigneten Fall für einen Präzedenzfall auszusuchen???
    Das wäre mal eine neue innovative Möglichkeit, ein Forum zu einem geeigneten Organ zu machen.
    Ich stelle mir das so vor:
    Die Forumsmitglieder tragen eigene Fälle zu bestimmten Konstellationen zusammen und es wird diskutiert und schließlich entschieden, welcher Fall sich am besten für einen Präzedenzfall eignet.
    Der \"Sieger\" muss/darf seinen Fall vor Gericht bringen. :laugh: :boom:
    Wer die meisten gewonnen Fälle hat, wird von Herrn Sommerhäuser mit einem Titel bedacht. :totlach:
    Nein im Ernst: Wer ist dafür????

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Hallo, Thomas Heller u. a. ,
    auch mich würde eine solche Diskussion sehr interessieren und vor allem zitierfähige Urteile, Gesetzestexte und Präzedenzfälle. Selbst bei optimaler Sozialarbeit und Beginn der Entlassplanung am Aufnahmetag gibt es immer wieder Pat., die auf einen Pflegeplatz oder die notwendigen Pflegehilfsmittel für zuhause ein paar Tage im KHS warten. Bisher hatten wir erst einmal Probleme mit der Kasse und konnten die Dränendrüse der Sachbearbeiterin erweichen (Pflegende und bevollmächtigte Tochter und einzige Angehörige der krebskranken dementen Pat. starb bei Unfall auf der Fahrt zum Krankenhaus zu einem Termin zur Entlassplanung - Pflegeheimsuche incl. Einrichten einer gesetzlicher Betreung dauerte 2 Wochen, diese sollten zunächst nicht bezahlt werden. Wurden nach Schilderung der Umstände dann übernommen). Ich bin aber sicher, die Probleme werden sich häufen.
    Deshalb: Wer hat eine Lösung?
    Susanne :roll:

    Susanne in München :i_drink:

  • Liebes Forum,
    gestatten sie mir, das Problem von einer anderen Seite zu beleuchten. Wenn ich es richtig verstanden habe, rechnen wir seit 2005 keine Pflegetage, sondern Fallpauschalen mit den Kostenträgern ab. Bis auf uGVD, mGVD und oGVD ist es ökonomisch also egal, wie lange ein Patient in einer Klinik verbleibt.
    Während es bis 2003/2004 im Interesse der Kostenträger gewesen seien dürfte, die kostspielige Verweildauer im Krankenhaus zu reduzieren ( \"Der hätte aber schon am ... Tag entlassen werden können\" ), kann es nun durchaus im Interesse sein, diese zu verlängern ( \"Warum haben Sie den Patienten schon entlassen ?\" ). Vielleicht wird sich die mit dem MdK zu verhandelnde Thematik ins Gegenteil verkehren, sicherlich haben wir neben den DRG´s noch andere Baustellen, die wir nicht vernachlässigen sollten.

    Hessen, dichter Nebel, acht Grad
    Frohe Ostern
    Eckardt

  • Hallo Forum
    Eckardt
    Die Problematik bezüglich der Liegedauer hat sich nicht groß verändert. Nur das jetzt jeder Fall der die oGVD erreich und überschreitet geprüft wird. Gleiches bei Entlassung mit oder kurz nach dem erreichen der uGVD.
    Die Liegezeitendiskussion besteht weiterhin.

    Bei Pat. die zwar medizinisch entlassen werden können, sie aber keine Verlegungsmöglichkeit haben, wird die KK so lange nicht nachfragen wie sie die oGVD nicht überschritten haben. Erst dann tritt die KK auf den Plan.
    Zur Argumentation warum die oGVD überschritten wurde kann ich nur empfehlen die KK frühzeitig in die Entlassüberlegungen mit einzubeziehen. Der Kasse deutlich machen das medizinisch der Pat. zwar entlassen werden kann, dies aber aus Gründen die das Krankenhaus nicht zu verschulden hat, nicht möglich ist. Die KK muss für ihren Versicherten an Lösungsmöglichkeiten mitarbeiten. Wenn Sie dies entsprechend dokumentieren haben Sie aus meiner Erfahrung gute Karten beim MDK.
    War in alten Zeiten immer so. Jetzt haben die Krankenhäuser das Problem das den Kosten bis zum Erreichen der oGVD keine entsprechenden Erlöse gegenüberstehen.


    Gruß aus dem Nebel (Sachen-Anhalt)
    MiChu :sonne:

    Gruß

    MiChu ;)
    Sei nicht unglücklich vor der Zeit, denn was dich, als dir drohend, in Angst versetzt, wird vielleicht nie kommen. (Seneca)

  • Guten Morgen zusammen,

    auch als KK Vertreterin muss ich mich dazu mal äußern....

    Vollstationäre Krankenhausbehandlung im Rahmen des §39 SGB V - nur solange hier eine medizinische Notwendigkeit vorliegt.

    Sofern keine medizinische Notwendigkeit im Vordergrund steht, kann ich mich nur der Meinung anschließen, die Person zum \"Pflegefall\" zu erklären und die Kosten ggf. beim Sozialamt geltend machen...

    Allerdings wäre in solchen Fällen eine gute Zusammenarbeit mit der KK vorteilhaft - ggf. akzeptiert die KK ja die Unterbringung aus sozialen Gründen zu Lasten der KK bis zum erreichen der OGVD, solange keine zusätzliche Kosten entstehen.

    In machen Fällen muss man als KK leider auch darauf achten, das die Leistungen witschaftlich und medizinisch notwendig sind - egal wieviel soziales Verständnis wir als KK Vertreter auch haben. Auch den KK sind die Hände gebunden hier freie Entscheidungen zu treffen, schließlich verwenden wir die Beitragsgelder unserer Mitglieder und müssen damit wirtschaftlich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten umgehen.

    Wir DÜRFEN nämlich auch nur Leistungen bewilligen die medizinisch NOTWENDIG sind und nicht medizinisch SINNVOLL oder aus sozialen Gründen notwendig sind.

    In solchen Fällen kann m.E. nur ein anderer Sozialleistungsträger (wahrscheinlich nach SGB XII) Kostenträger der weitern Unterbringung ein...

    Einen sonnigen Gruß aus NRW...

    Lieben Gruß aus dem Bergischen Land

    Jennifer Busse

  • Schönen guten Tag allerseits!

    Zitat


    Original von jemebu

    Wir DÜRFEN nämlich auch nur Leistungen bewilligen die medizinisch NOTWENDIG sind und nicht medizinisch SINNVOLL oder aus sozialen Gründen notwendig sind.

    Ist es denn keine medizinische Notwendigkeit, die Frau weiter zu behandeln, die zu Hause geschlagen wird, bis Sie im Frauenhaus unterkommen kann, wenn die Entlassung nach Hause wenig später wieder zu einer erneuten Aufnahme führen würde? Auch Prävention ist \"medizinisch\"!

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Zitat


    Original von jemebu:
    auch als KK Vertreterin muss ich mich dazu mal äußern....

    Allerdings wäre in solchen Fällen eine gute Zusammenarbeit mit der KK vorteilhaft - ggf. akzeptiert die KK ja die Unterbringung aus sozialen Gründen zu Lasten der KK bis zum erreichen der OGVD, solange keine zusätzliche Kosten entstehen.

    ...- egal wieviel soziales Verständnis wir als KK Vertreter auch haben. Auch den KK sind die Hände gebunden hier freie Entscheidungen zu treffen, schließlich verwenden wir die Beitragsgelder unserer Mitglieder und müssen damit wirtschaftlich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten umgehen.

    Hallo Frau Jemebu,
    das verstehe ich jetzt nicht so ganz: Haben Sie Entscheidungsspielräume oder sind Ihnen die Hände gebunden???? :threemonkey:

    Entschuldigen Sie meine Emotionalität aber langsam habe ich das Gequatsche von den Kostenträgern satt:f_laber: :i_wuerg:
    Sie haben ja nichts dabei zu verlieren, wenn Sie gebetsmühlenartig behaupten, die Gesetzeslage sei nun mal so und Ihnen wären die Hände gebunden..... laber , laber ,laber....
    Was macht denn aber bitte schön ein armer Assistenzarzt, wenn ihm Freitag Mittag, wenn alle Verwaltungsangestellten längst zuhause sind, so ein Fall in die Finger gerät, womöglich auch noch an einem Osterwochenende????
    :sterne:
    Ich sehe es schon kommen, dass demnächst auch noch der Verwaltungschef des Krankenhauses kommt und die Kollegen für die Kosten, die entstanden sind, weil die Kasse den Fall nicht bezahlen will, haftbar macht.:hammern:

    Und wenn er die Patientin entlassen hat und sie kommt am nächsten Tag mit einem Schädelbruch oder einer sonstigen schweren Verletzung wieder, steht der Kadi schon vor der Tür zusammen mit der Presse, (siehe den Fall der Verlegung des Moribunden 4 Stunden vor seinem Tod, weil er ja nur noch Pflegefall war [in den News vom 23.3.05]

    Ich habe den Thread mit Verantwortung tituliert und ich fände es gut, wenn sich nur noch die beteiligen, die den Sinn des Wortes kennen und sich nicht mit Phrasen aus jeglicher Verantwortung stehlen. :strauss:

    Einen schönen Karfreitag noch :i_beten:
    trüb, grau und regnerisch

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken