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Mandeloperationen: Pandemie ließ Fallzahlen deutlich und dauerhaft sinken

Tonsillektomie: Laut aktueller WIdO-Analyse geht der Rückgang der planbaren Eingriffe nicht mit einer Zunahme an Notfallbehandlungen einher (WidO).



Berlin. Die Zahl der Mandeloperationen in Deutschland ist während der Corona-Pandemie stark zurückgegangen. Besonders drastisch fiel die Reduktion mit bis zu 82 Prozent im ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 aus. Auch danach blieben die Fallzahlen saisonbereinigt je nach Art der Operation um 18 bis
39 Prozent unter dem vorpandemischen Niveau. Eine Zunahme von Notfalleingriffen war nicht festzustellen. Das zeigt eine aktuelle Analyse des
Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die im medizinischen Fachjournal
„European Archives of Oto-Rhino-Laryngology“ veröffentlicht wurde. Ausgewertet
wurden die Krankenhauseinweisungen aller Patientinnen und Patienten in
Deutschland zwischen Januar 2019 und September 2021 sowie ambulante
Versorgungsdaten von AOK-Versicherten der Jahre 2019 und 2020.

Während zwischen Januar 2019 und 15. März 2020 durchschnittlich 556,1
Mandelentfernungen je Woche durchgeführt wurden, sank die Zahl im ersten
Lockdown vom 16. März bis 3. Mai 2020, als Kliniken aufgerufen waren, planbare
Operationen zu verschieben, auf 110,7 Eingriffe je Woche. Auch nach der
Lockerung der Corona-Beschränkungen im Sommer 2020 wurde das Niveau der
Operationshäufigkeit vor Corona nicht mehr erreicht. Hier pegelten sich die
Zahlen der operativen Entfernung der Gaumenmandeln auf 326,0 Fälle je Woche
ein. Besonders deutlich fiel der Rückgang bei Kindern und Jugendlichen zwischen
10 und 17 Jahren aus. Vor der Pandemie gab es in dieser Altersgruppe noch 70,5
Operationen in der Woche, nach dem ersten Lockdown mit 34,8 je Woche nur noch
knapp halb so viele. Insgesamt wurden für die Studie 144.069 stationäre Fälle
mit einer Mandeloperation eingeschlossen.

Weniger Notfalleingriffe bei Komplikationen
„Auffällig ist, dass wir nicht nur einen deutlichen Rückgang der Fallzahlen bei
den planbaren operativen Mandelentfernungen festgestellt haben, sondern auch,
dass sich Behandlungen akuter Mandelentzündungen mit Antibiotika und
Notfalleingriffe signifikant verringert haben“, so Studienautor Christian
Günster, Leiter des Bereichs Qualitäts- und Versorgungsforschung im WIdO. Dies
spiegelt sich laut Analyse in den Fallzahlen bei den Behandlungen aufgrund von
Abszessen an den Gaumenmandeln wider. Ein Abszess kann zwischen der
Gaumenmandel und ihrer Kapsel entstehen, zum Beispiel als Komplikation einer
eitrigen Mandelentzündung (Tonsillitis). Bei kleineren Abszessen wird meist
ausschließlich medikamentös mit Antibiotika behandelt. Sehr weit
fortgeschrittene Abszesse, die begleitende Verschlechterungen des
Allgemeinzustandes verursachen, müssen operativ entfernt werden. Während vor
der Pandemie noch 165,3 Abszesse wöchentlich operiert wurden, sank die Zahl
nach dem ersten Lockdown auf 98,1 Fälle in der Woche. Bei Kindern und
Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahre halbierte sich die Zahl dieser Eingriffe
aufgrund Abszessbildung von 15,0 auf 7,4 Fälle wöchentlich.

Ärzte wurden seltener konsultiert
Im Rahmen der Studie wurden auch die ambulanten Behandlungen von Halsschmerzen
bei AOK-Versicherten ausgewertet. Deren Anzahl ging von 2,97 Millionen im Jahr
2019 um ein Drittel auf 1,98 Millionen im Jahr 2020 zurück. Nicht nur die
Gesamtzahl reduzierte sich, sondern auch die Zahl der Halsschmerzbehandlungen
mit Antibiotika-Verordnung. Dieser Rückgang war 2020 bei Kindern und
Jugendlichen am stärksten. Wie bei den Operationen zeigten sich die größten
Rückgänge zu Pandemiebeginn. Die Zahl der Halsschmerzbehandlungen mit
Antibiotika brach im zweiten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahresquartal um 67
Prozent ein. „Die AHA-Regeln während der Pandemie dürften das Auftreten von
Mandelentzündungen reduziert haben, die in der Regel Anlass für die
Tonsillektomie sind. Die Hygieneregeln stellen deshalb ein wirksames Instrument
gegen die Verbreitung von Erkältungskrankheiten ganz unabhängig von der
Pandemie dar“, sagt Günster. Ein weiterer Grund für die rückläufigen
Behandlungszahlen könne sein, „dass Patientinnen und Patienten ihren
Behandlungsbedarf niedriger priorisiert haben“, so Günster. Insbesondere
Kinderärztinnen und -ärzte wurden seltener aufgesucht.

Fallzahlen weiter beobachten
Die Zahl der Mandeloperationen in Deutschland nimmt seit Jahren ab. Dieser
Trend hat sich nun während der Pandemie deutlich verstärkt, ohne dass
Notfalleingriffe zunahmen. In einer früheren Studie hatten die Autoren bereits
festgestellt, dass die Daten der ambulanten Vorbehandlung vor der
Mandelentfernung bei Halsschmerzen häufig im Widerspruch zu der Diagnose einer
„chronischen“ Mandelentzündung stehen. Laut Leitlinienempfehlung spielt der
Eingriff als Therapieoption erst eine Rolle, wenn sich mindestens drei
antibiotikumpflichtige Mandelentzündungen in zwölf Monaten ereignet hatten.
„Möglicherweise sind im Zuge der Pandemie teilweise auch unnötige Operationen
entfallen. Die vollständige Rückkehr zum vorpandemischen Fallzahlniveau wäre
daher nicht sinnvoll“, sagt Günster. „Wir werden die Fallzahlen und die
Umsetzung der Leitlinienempfehlung auch nach der Pandemie weiter beobachten.“

Quelle: WidO, 21.04.2022

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