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Potenzialanalyse der Krankenhaus-Kommission: Unsachlicher Beitrag zur Qualitätsdebatte

Wissenschaftlich zweifelhafte Potentialanalyse verunsichert die Bevölkerung und ist kein sachlicher Beitrag zur Qualitätsdebatte (Deutsche Krankenhausgesellschaft).



Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert die neueste Stellungnahme der Regierungskommission für die Krankenhausreform und weist zentrale Behauptungen zurück. Dazu erklärt der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß: „Die von Karl Lauterbach bestellte Auswertung von Abrechnungsdaten zur
Qualitätsbewertung markiert einen neuen Tiefpunkt in der politischen Debatte um die Zukunft der Krankenhausversorgung in Deutschland. Krankenhäuser beteiligen
sich seit vielen Jahren freiwillig und trotz fehlender Refinanzierung gerade im
Bereich der Krebstherapie mit großem Engagement an Qualitätssicherungsmaßnahmen
und Zertifizierungen. Aus unwissenschaftlichen Analysen abgeleitete plakative
Aussagen über vermeidbare Todesfälle bei Krebspatienten und Schlaganfällen sind
kein konstruktiver Beitrag zu einer sachlichen politischen Debatte.

Den vom Minister beauftragten Autoren sind offensichtlich keine
Schlussfolgerungen zu schlicht und fernab jeder wissenschaftlichen
medizinischen Erkenntnis, um sie nicht für ihre Zwecke zu nutzen.

Gerade die von der Regierungskommission als Beispiel herausgegriffene
Schlaganfallversorgung eignet sich überhaupt nicht für die angestrebte
Negativdiskussion. Die Zahl der zertifizierten Stroke Units hat sich über die
Jahre stetig auf heute 343 erhöht. Eine Auswertung des Bundesinstituts für Bau,
Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigt, dass die Bevölkerung in Deutschland
nahezu optimal mit Stroke Units versorgt ist. Fast 90 Prozent der Bürger
erreichen von ihrem Wohnort aus eine Stroke Unit innerhalb von 30 Minuten.

Auch wenn die Autoren der Studie dies nicht wissen oder zur Kenntnis nehmen:
Kaum ein Versorgungsbereich in Krankenhäusern wird so umfassend durch eigens
beauftragte Qualitätsstellen dokumentiert wie die Schlaganfallversorgung.
Schlaganfallpatienten müssen schnellstmöglich nach einem akuten Schlaganfall in
Stroke Units behandelt werden, um dort mit intensiven Therapien Erfolge
erzielen zu können. Dass der Rettungsdienst Akut-Patienten schnell in die
Stroke Units transportiert, gelingt in allen Bundesländern zuverlässig mit
einer Quote von teilweise über 90 Prozent. Verbesserungspotential im Interesse
der Patienten gibt es deshalb allenfalls bei der frühen Erkennung von
Schlaganfallsymptomen in Seniorenheimen oder im häuslichen Umfeld.

Wenn nun in der vorgelegten Studie aus den Abrechnungsdaten der Krankenhäuser
codierte Schlaganfallpatienten identifiziert werden, die im Krankenhaus nicht
in einer Stroke Unit behandelt wurden, dann sind das fast ausschließlich
Patienten, die eben nicht mit einem akuten Verdacht auf Schlaganfall ins
Krankenhaus eingeliefert wurden, sondern mit einer unklaren Diagnose. Gerade
bei älteren Patienten werden Schlaganfälle als solche oft nicht früh erkannt,
und die Patienten kommen erst Tage später in die Behandlung. Leider haben
gerade diese Patienten dann eine schlechtere Prognose und eine höhere
Mortalität. Daraus einen Zusammenhang zur Behandlungsqualität der Krankenhäuser
zu ziehen, ist völlig absurd. Es wäre eine absolute medizinische Fehlleistung,
solche Patienten zu diesem späten Zeitpunkt in eine Stroke Unit zu verlegen, da
sie dort zwar intensivmedizinisch behandelt würden, von dieser Behandlung aber
nicht profitierten. All das kann man aus den Abrechnungsdaten der Krankenkassen
nicht erkennen. Hätte die Regierungskommission tatsächlich ein Interesse an
einer wissenschaftlich fundierten Bewertung der Schlaganfallversorgung gehabt,
hätte sie die vorhandenen Schlaganfalldokumentationen auswerten müssen und
nicht die Abrechnungsdaten der Krankenkassen.

Auch der zweite zentrale Bereich der Studie wirft viele Fragen auf.
Unzweifelhaft ist der Zusammenhang zwischen onkologischer Behandlungsqualität
und Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft. Gerade deshalb
engagieren sich die Krankenhäuser in diesem Bereich und unterziehen sich
absolut freiwillig dieser Zertifizierung, ohne dass Minister Lauterbach jemals
daran gedacht hätte, dieses Engagement finanziell zu fördern. Die Zahl der von
der Krebsgesellschaft für eine onkologische Behandlung zertifizierten Standorte
steigt daher stetig. Von 2010 bis 2022 hat sie sich von 641 auf 1926
entwickelt. Die Kliniken lassen sich aus eigenem Ansporn und im Bewusstsein,
daraus Vorteile für die Patientinnen und Patienten zu erzielen, zertifizieren.
Es wäre erfreulich, wenn der Minister und die Kommission das einmal zur
Kenntnis nehmen und würdigen. Wenn die Autoren der Studie nun das Potential der
zu rettenden Lebensjahre aus den Daten 2017 herleiten und suggerieren, die
Krankenhausreform würde das ermöglichen, muss man feststellen, dass
zwischenzeitlich schon sehr viel von diesem theoretischen Potential gehoben
wurde. Seit 2017 bis heute ist die Zahl der zertifizierten Organkrebszentren um
fast 50 Prozent und die der zertifizierten onkologischen Zentren um fast 40
Prozent gestiegen. All das haben die Krankenhäuser mit ihrem freiwilligen
Engagement erreicht, nicht durch Zwangsmaßnahmen aus dem
Bundesgesundheitsministerium. Und diese Entwicklung geht weiter. Es ist
unübersehbar, dass die Krankenhäuser längst auf dem Weg sind und alles
unternehmen, um die Patientenversorgung weiter zu verbessern. Auf diesem Weg
waren sie schon bevor sich die Kommission mit der Krankenhausreform beschäftigt
hat.

Wo Krebs noch außerhalb zertifizierter Standorte behandelt wird, muss man genau
analysieren, um welche Patienten in welcher Lebensphase es sich handelt. Auch
das geht nicht aus den Abrechnungsdaten hervor. Nicht selten sind es
individuelle bewusste Entscheidungen der Patienten am Ende einer langen
Leidensphase.

Grundsätzlich muss sich der Bundesgesundheitsminister mehr und mehr fragen, auf
welche Füße er seine Reform stellt. Auch diese Stellungnahme lässt ein weiteres
Mal die breite wissenschaftliche Debatte vermissen. Das ist erstaunlich, beruft
sich der Minister doch immer wieder auf die Wissenschaft als Leitlinie seines
Handelns. Wissenschaft bedeutet jedoch nicht, dass ein eingeschränkter
Personenkreis hinter verschlossenen Türen eigene Erkenntnisse und Theorien
entwickelt, sondern im Austausch mit der breiten wissenschaftlichen Community
erarbeitet. In diesem Zusammenhang ist es völlig inakzeptabel, dass der
GKV-Spitzenverband und der AOK-Bundesverband eng eingebunden werden und
interessensgeleitete Analysen liefern, während alle anderen Akteure des
Gesundheitswesens als ‚Lobbyverbände‘ ausgeschlossen werden.

Der Minister sollte seine Zeit besser dafür nutzen, das von ihm selbst
propagierte Krankenhaussterben zu beenden. Das wäre kurzfristig der
wirkungsvollste Beitrag zur Qualitätssicherung im Interesse der Patientinnen
und Patienten.“

Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft, 22.06.2023

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